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Dann eben nicht, Jeeves

Dann eben nicht, Jeeves

Titel: Dann eben nicht, Jeeves Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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jeden Fall vor.
    »Ich dachte, du wärst vielleicht ein bißchen vergrätzt.«
    »Vergrätzt?«
    »Wegen Gussies Mätzchen heute nachmittag auf dem Podium. Ich muß sagen, daß ich stark mit trommelnden Fingern und grimmigen Blicken gerechnet hatte.«
    »Unsinn. Das war doch nichts, um einen zu vergrätzen. Ich hab das Ganze eher als Kompliment aufgefaßt und war stolz darauf, daß meine Spirituosen einen so prächtigen Vollrausch haben erzeugen können. Das gibt einem doch geradezu seinen Glauben an den Nachkriegswhisky wieder. Außerdem könnte mich heute abend nichts in der Welt vergrätzen. Ich fühle mich wie ein Kind, das händeklatschend in der Sonne tanzt. Denn obwohl sie sich viel Zeit gelassen hat, Bertie, scheint die Sonne jetzt wieder für mich. Halleluja! Anatole hat seine Kündigung zurückgenommen.«
    »Ja? Oh, herzlichen Glückwunsch.«
    »Danke. Ja, als ich heute nachmittag zurückkam, habe ich ihm zugeredet wie einem kranken Gaul, und nachdem er mir immer wieder gesagt hatte, er könne dem nicht zustimmen, stimmte er zu. Er bleibt, dem Himmel sei Dank, und alles ist wieder gut und …«
    Sie brach mitten im Satz ab, denn die Tür war aufgegangen, und der Butler hatte sich zu uns gesellt.
    »Hallo, Seppings«, sagte Tante Dahlia. »Ich dachte, Sie wären schon fort.«
    »Noch nicht, Madam.«
    »Na, ich hoffe, Sie werden sich gut amüsieren.«
    »Danke, Madam.«
    »Wollten Sie mich sprechen?«
    »Ja, Madam. Es handelt sich um Monsieur Anatole. Haben Sie veranlaßt, Madam, daß Mr. Fink-Nottle durch das Dachfenster von Monsieur Anatoles Schlafzimmer Grimassen schneidet?«

20
    Es entstand ein langes Schweigen. Bedeutungsschwer nennt man so was, glaube ich. Die Tante warf dem Butler einen Blick zu. Der Butler warf der Tante einen Blick zu. Ich warf beiden Blicke zu. Eine unheimliche Stille breitete sich in dem Raum aus wie dicker Haferbrei.
    Tante Dahlia stützte sich haltsuchend auf das Büffet und sagte dann mit leiser, belegter Stimme:
    »Grimassen?«
    »Ja, Madam.«
    »Durch das Dachfenster?«
    »Ja, Madam.«
    »Sie meinen, er sitzt auf dem Dach?«
    »Ja, Madam. Monsieur Anatole hat sich darüber sehr aufgeregt.«
    Es war wohl das Wort »aufgeregt«, das bei Tante Dahlia als Auslöser wirkte. Aus langer Erfahrung wußte sie, was es bedeutete, wenn Anatole sich aufregte. Daß sie gut zu Fuß war, war mir bekannt, aber ich hätte nie gedacht, daß sie ein solches Tempo vorlegen könnte, wie sie es jetzt tat. Kaum hatte sie einen saftigen Jägerfluch ausgestoßen, war sie auch schon aus dem Raum und galoppierte in Richtung Treppe. Und da ich – so wie damals, als ich ihr Telegramm bezüglich Tuppy und Angela bekam – fand, daß ich ihr Beistand leisten müßte, stellte ich meinen Teller mit Obstsalat hin und hastete hinter ihr her. Seppings folgte im gestreckten Galopp.
    Es war gar nicht so einfach, ihr zu folgen, denn sie lief ein scharfes Tempo. Auf dem ersten Treppenabsatz muß sie mit einem Dutzend Längen vorn gelegen haben, und ich war immer noch ein gutes Stück zurück, als sie den zweiten erreichte. Auf dem nächsten Absatz machten sich dann aber bei ihr Ermüdungserscheinungen bemerkbar, und sie keuchte hörbar. Als wir in die Gerade einbogen, liefen wir praktisch Kopf an Kopf, und es war ein denkbar knappes Finish, als wir beim Türpfosten von Anatoles Zimmer ankamen.
     
    Ergebnis:
    1. Tante Dahlia
    2. Bertram
    3. Seppings
     
    Sieg mit kurzem Kopf. Eine halbe Treppe Abstand zwischen dem Zweiten und Dritten.
    Das erste, was einem beim Eintreten ins Auge fiel, war Anatole. Dieser Zauberer am Küchenherd ist ein untersetzter kleiner Mann mit einem Schnauzbart vom Typ »Seehund«, dessen jeweiliger Zustand auf das seelische Befinden des Trägers schließen ließ. Wenn alles i n Ordnung ist, stehen die Enden hoch wie bei einem Sergeanten, und sie hängen herunter, wenn seine Seele leidet.
    Jetzt hingen sie herunter, was ihm ein finsteres Aussehen gab. Etwaige Unklarheiten hinsichtlich seines Gemütszustandes wurden augenblicklich durch die Art und Weise beseitigt, wie er sich aufführte. In einem rosafarbenen Schlafanzug stand er neben seinem Bett und schüttelte die Fäuste gegen das Dachfenster. Durch dessen Scheibe starrte Gussie herunter. Seine Augen waren geweitet, und sein Mund stand offen, was ihm eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem exotischen Fisch im Aquarium gab, so daß man spontan daran dachte, ihn mit Ameiseneiern zu füttern.
    Als ich mir den fäusteschüttelnden Koch und

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