Dann fressen ihn die Raben
erzählt habe“, sagte sie. Das Bild zeigte ein Tier, das ein Nerz sein musste, ohne Fell. Seine Zähne waren zu einem irren Grinsen gefletscht.
„Und so was passiert dort auf der Nerzfarm?“, fragte ich. Aske schielte zu Mira hinüber.
„Vielleicht“, antwortete er. „Wir haben mit einem Mitarbeiter von da gesprochen, der sagte, dass es mindestens einmal vorgekommen wäre. Ganz davon abgesehen ist es pervers, Tiere zu züchten, nur um nachher an ihren Pelz zu kommen.“
„Schon klar“, sagte ich und starrte weiter auf die Bilder. Alle Fotos waren ausgedruckt und mit dem Logo von der Vorderseite versehen.
„Global Monkeys“, erklärte er, „die Bilder wurden alle von denen aufgenommen.“
Ich schlug die Mappe zu und betrachtete die Vorderseite. Was auf den Bildern vorging, war zu viel für mich, und noch dazu war mir so übel, als hätte ich den Speck auf meinem Salat tatsächlich gegessen. In der Ecke des Affenbildes stand www.globalmonkeys.nl .
„Und das seid ihr?“, fragte ich und versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen, doch mein Herz raste vor Aufregung. Irgendwie kam mir das Affenbild auch bekannt vor, doch ich konnte mich nicht erinnern, woher. Aske räusperte sich.
„Ja. Das sind wir. Also die dänische Gruppe. Die Monkeys. Wir haben genug von alledem.“ Er sah Mira an.
„Für mich fing alles mit einem Ausflug auf einen Bauernhof an, den wir in der siebten Klasse mit der Schule machten“, begann sie. „Total lustig. Auf einen ‚richtigen Bauernhof‘. All so’ne Sachen.“ Sie nahm einen Schluck Bier. „Wir gingen in ein großes Hühnerhaus, probierten frisch gemolkene Milch, und durften einen ganz kurzen Blick in den Schweinestall werfen. Das genügte eigentlich schon. Ich hatte vorher noch nie einen Schweinestall gesehen. Während der Bauer munter erzählte, Schweine seien genauso schlau wie Hunde, sah ich, wie die Schweine in seinem Stall dicht gedrängt nebeneinanderstehen mussten und dabei laut quiekten. Ich war so entsetzt, dass ich nach draußen lief. Und als ich da so hinter dem Stall stand, entdeckte ich … einen großen Berg toter Ferkel! Schmutzig. Ihre Beine waren gebrochen, und sie stanken.“ Mira machte eine Pause.
„Ich erzählte es meinem Lehrer. Doch er sagte mir nur, dass das eigentlich nicht Teil des Programms war. Es war nicht vorgesehen, dass ich das mitkriege.“
„Genau.“ Aske nickte.
Anders, der langes, dunkles Haar hatte, trommelte gedankenverloren mit den Zeigefingern auf den Tisch.
„Es ist nur so, als ob die Leute einfach ihre Augen vor diesen Dingen verschließen. Denn Bauernhöfe sind nun mal so. Da werden Tiere gequält, ganz einfach. Wenn sich in diesem Stall die kleinen, niedlichen Hundewelpen gedrängelt hätten, wären die Leute total ausgeflippt. Aber wenn man einen ganzen Laster voll mit Schweinen findet, die tot sind, weil sie einfach nichts zu fressen bekommen haben, kümmert sich niemand darum.“
„Genau aus diesem Grund mag ich keine Hunde“, murmelte ich.
„Was?“, fragte Aske und runzelte die Stirn.
„Ach. Es ist nur … also Hunde. Die sind süß und alles und haben irgendwie einen Sonderstatus. Als täten sie einem ganz besonders leid.“
„Ja“, sagte Mira. „Und Bambi. Warum hat man immer so ein Riesenmitleid mit Bambi?“
„Ich sehe die Sache in etwas größeren Dimensionen“, entgegnete Aske. „Es ist den Leuten auch egal, dass die Pole schmelzen. Wir sind dabei, die ganze Erde in einen Friedhof zu verwandeln, und die Leute hocken auf den Gräbern und genießen die schöne Aussicht. Das ist doch der reinste Irrsinn. Der gesamte Regenwald ist vom Aussterben bedroht. Ich meine … Wir sprechen hier von der Lunge der Erde! Und dann tritt man irgendeiner Wohltätigkeitsorganisation bei, will aber nicht auf den Esstisch aus Tropenholz verzichten. Oder die Leute sagen: ‚Nein, ich habe schon ein Patenkind im SOS-Kinderdorf, wie soll ich da auch noch gegen die Ausrottung der Nashörner protestieren!‘ Und die Nashörner müssen nur für irgendwelche Japaner sterben, die keinen hoch kriegen!“
Niemand sagte etwas.
„Ja, tut mir leid“, sagte er kurz darauf, „aber es hört einfach keiner zu. Alles bricht um uns herum zusammen, und niemand reagiert. Dabei wissen wir es genau. Es kommt jeden Tag in den Nachrichten. Aber es ist den Leuten wichtiger, dem Nachbarn im Schrebergarten nebenan zu beweisen, dass man sich Gartenlaternen aus Kupfer leisten kann. Wir sind dabei, die ganze Welt zu zerstören,
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