Dann fressen ihn die Raben
eingebrannt.
„Na klar war das schlau! Total schlau! Das war einfach nur saugenial. Können wir nicht nach der Schule ins Foley’s ? Och bitte!“ Sandra konnte wirklich diabolisch grinsen.
Auf dem Weg ins Foley’s schilderte Sandra in allen Farben, wie sie mit Katinka zusammenwohnen würde. Dass sie sich schon einen Job in einem Café gesucht hatte und 1000 Kronen Miete im Monat zahlen würde. Ich hörte nicht richtig zu. Es war über ein Jahr her, dass ich unseren Vater gesehen hatte. In den Tagen kurz nach seiner Abreise habe ich ihn immer wahnsinnig vermisst. „Come’n live with me, when ye finish school“, hatte er zuletzt zu mir gesagt. Wenn er mir von der Rolltreppe am Flughafen aus zuwinkte, wurde mir immer ganz schwer ums Herz. Und jetzt standen wir plötzlich vor dem Foley’s .
„Oh God, ye’ve grown. Both of ye.“ Unser Vater war klein und dick und hatte glänzende Bäckchen. „Imagine my son at a pub. Marvelous!“ Er umarmte mich lang und innig. Ich vermisste ihn. Und wie. Ich spürte es sofort. Gleichzeitig war ich stinksauer. Da kam er wieder mal an und war wahnsinnig nett. Und plötzlich würde er verschwunden sein. Immer, wenn das passiert war, hatte ich mich in meinem Zimmer verschanzt und geweint. Und dann hatte ich zwei Wochen lang insgeheim gehofft, er würde anrufen, aber das hatte er nie getan.
„Now, I can’t go into all that stuff with ye mom and her bloke. That’s her thing. I’m happy to meet up with you two, but yer mom? That’s a bad idea.”
“Dad, come on. Chase him away for us”, bat Sandra.
“Ah. To what avail? She won’t have me back, that’s for sure.”
“Then maybe I …” Sandra starrte mich an. „… I can come with you to London.“
„Ah. That would make me happy, of course. But you should finish yer school. Don’t be a fuckup like yer dad. Besides, yer mommy would kill me.”
Dann plauderten Sandra und er ein wenig. Wie es in der Schule lief? Ob sie gute Noten hatte? Jungs? Massenweise, beteuerte Sandra und lachte. Ich rückte mechanisch meinen Stuhl zurück und stand auf.
„Okay, Papa. Dann mach’s mal gut. Wir sehen uns bestimmt mal wieder, ganz überraschend.“
„So soon?“ Er verstand schon, was ich sagte, aber wahrscheinlich konnte er den Sarkasmus in meiner Stimme nicht heraushören.
„Yer out to see about a girl?“
„Ja klar.“ Vater. Sohn. Rie. Ich hastete nach draußen und rannte fast den ganzen Weg bis zum Wohnheim des Rigshospitals, um nicht zu weinen anzufangen.
„Rie?“, japste ich in die Sprechanlage, als ich draußen stand.
„Warte“, sagte sie. Kurz darauf kam sie in einer voluminösen Daunenjacke nach draußen. Dabei war es Ende April.
„Warum mochtest du mich nicht mehr?“, fragte sie sofort. Sie war dünner geworden.
„Bist du … schwanger?“ Sie schniefte und schüttelte kurz den Kopf, als sei das nur eine Bagatelle, doch mir fiel ein zentnerdicker Stein vom Herzen.
„Warum mochtest du mich nicht mehr?“
„Ich mag dich doch.“
„Tust du nicht.“
„Also Rie! Doch!“
„HÖR AUF MIT DEM SCHEISS! WARUM HAST DU DICH SO BENOMMEN?“
Sie bekam einen heftigen Heulanfall. Ich streichelte ihr unbeholfen den Rücken, aber sie stieß meinen Arm sofort weg.
„Die Kacke kannst du dir sparen. Ist dir eigentlich klar, wie das ist, wenn man plötzlich seine Tage nicht mehr kriegt?“ Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie eine Antwort darauf erwartete.
„Man kann sich doch nicht einfach so schnell in jemanden verlieben“, sagte ich stattdessen.
„Nee, das sollte man nicht meinen. Habe ich aber. Ich bin zweiundzwanzig und habe mir eingebildet, ich hätte die Liebe meines Lebens getroffen. Klick. Da war es plötzlich. Kennst du das? Klick. Und schon warst du mein Matrose.“
Sie lächelte. Nein, ich kannte es nicht, und wahrscheinlich missverstand ich es auch ein bisschen und musste anfangen zu lachen.
„Und für dich war es einfach nichts. Rein gar nichts. Ich war Luft für dich.“
„Du warst mehr als Luft, Rie.“
„Aha. Und was?“
„Du warst süß.“
„Ich fühle mich wie eine Nutte.“ Sie fing erneut an zu weinen. Setzte sich auf eine Bank und weinte und weinte und weinte.
„Nick. Bitte. Nächstes Mal sagst du lieber gleich, worauf du aus bist.“
Ich drehte mich wortlos um und ging. Sie war nicht schwanger. Sie hasste mich. Aber sie war nicht schwanger.
Als ich nach Hause kam, wurde ich von einem eiskalten Henrik begrüßt.
„Deine Mutter schläft“, sagte er, als ich
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