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Dann fressen sie die Raben

Dann fressen sie die Raben

Titel: Dann fressen sie die Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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auf seinem iPhone herumtippt, achtet nicht auf mich. Sein Handy klingelt schon wieder, es hört sich an wie eine Sinfonie, ich glaube, irgendwas von Beethoven. Schätze mal, das ist eine Masche, die bei Mädels ganz gut ankommt, vor allem weil er nicht wie ein Voll-Nerd rumläuft, sondern etwas Verwegenes an sich hat.
    Ich überlege, ob ich ihn nach dem Handy fragen soll, aber er würde sicher wissen wollen, was ich damit vorhabe. Und außerdem sind da ja noch die Andeutungen von Dennis, von denen ich nicht weiß, ob sie der Wahrheit entsprechen. Nein, ich muss allein herausfinden, was passiert ist, das Lina so verändert hat.
    Ich hole mir eine Bionade aus dem Kühlschrank und schaue mich dabei weiter in der Wohnung um, aber ich weiß schon jetzt, dass es eigentlich sinnlos ist. Bleibt mir nur noch, Linas Computer zu durchsuchen. Davor bin ich die letzten Abende zurückgeschreckt, irgendwie kommt es mir so vor, als würde ich in ihre intimsten Geheimnisse eindringen.
    Ich laufe zurück in ihr Zimmer und schalte den Computer ein. Unfassbar, sie hat ein Passwort eingegeben. Wer macht denn so was? Zu Hause! Ich habe kein Passwort auf meinem Computer, wozu auch? Pa würde niemals hinter mir herspionieren und ich habe schließlich keine sensiblen Daten auf meinem Rechner über Panzerabwehrraketen oder Code-Red-Aktionspläne gegen eine Invasion von Außerirdischen.
    Ich habe nicht die geringste Ahnung, was Lina für ein Passwort vergeben haben könnte. Halbherzig versuche ich es mit Mr Singer. Fehlanzeige. Dann probiere ich Merlin, danach Omas Namen, ihr Geburtsdatum, dann das von jedem Einzelnen von uns, alle Musikbands, die sie mal gemocht hat. Nichts, nichts, nichts.
    Es klopft an meine Tür.
    »Kann ich reinkommen?« Alex steckt den Kopf herein.
    »Klar.« Ich habe das Gefühl, ich sollte eine Erklärung dazu abgeben, was ich hier mache. »Ich würde gern Linas Computer benutzen, muss was recherchieren für die Schule.«
    »Dann tu’s doch.«
    »Sie hat ein Passwort.«
    »Du bist angeblich der Einstein der Familie. Kannst du es nicht knacken?«
    »Du siehst zu viel CSI. Passwörter kann man nicht so leicht knacken, nur in schlechten Krimis nehmen die Leute den Namen ihrer Katze, ihrer Kinder oder ihr Geburtsdatum.« Ich merke, dass ich rot werde, schließlich hab ich gerade genau das probiert. »Wenn man auch nur ein bisschen Grips hat, verwendet man eine Kombi aus Zahlen und Buchstaben.«
    Er sieht irgendwie amüsiert aus. »Du kannst mit zu mir kommen und an meinem Computer arbeiten, wenn du willst.«
    »Und hast du auch ein Passwort?«
    »Klar.«
    »Warum denn?«
    Alex zuckt mit den Schultern. »Jeder Mensch hat Geheimnisse, oder nicht?«
    Ich hebe den Kopf. »Was hast du denn für Geheimnisse?«
    »Die willst du gar nicht wissen, kleine Jungfrau.« Jetzt grinst er ziemlich dreckig und ich würde ihm am liebsten eine reinhauen. Woher will er wissen, ob ich noch Jungfrau bin? Ich werde ihm nicht verraten, dass er sich täuscht. Allein bei dem Gedanken daran, wie es passiert ist, hasse ich mich total. Zum Glück weiß das niemand … so gesehen habe ich natürlich auch Geheimnisse.
    »Besser Jungfrau als Nutte!«, sage ich trotzig.
    »Wer ist denn hier bitte schön eine Nutte?«, fragt er. »Etwa Lina?« Er mustert mich, als wäre ich plötzlich doch interessanter, als er gedacht hätte.
    Ich schließe für einen Moment die Augen. Ich weiß selbst nicht, warum ich das gesagt habe. Lina liegt im Koma und ich mache ihr immer noch Vorwürfe? Was für eine Schwester bin ich denn?
    »Natürlich nicht«, erwidere ich. »Sagt man doch so, oder?« Ich überlege für einen Moment, noch einmal auf seine Beziehung zu Lina zu sprechen zu kommen, aber auch wenn Dennis behauptet hat, er würde es nicht übel nehmen – ich ahne mittlerweile, dass Alex nicht so einfach mit der Wahrheit herausrücken wird. Das ist nicht sein Stil. »Wieso bist du eigentlich hier?«, frage ich stattdessen. »Als mein Babysitter?«
    »Oliver hat mich beauftragt, dich zu fragen, ob ich etwas für uns kochen soll. Unsere Eltern machen heute einen auf edle Samariter.« Er zieht seine Mundwinkel spöttisch nach links.
    Stimmt, ja. Meine Mutter hat es mir heute Morgen gesagt, aber ich habe es vergessen. Nicht nur Oliver, auch sie ist heute in der Praxis, wo sie Menschen behandeln, die keine Krankenversicherung haben oder die illegal in Deutschland leben.
    »Zum Thema Kochen: Du hast die Wahl, zwischen erstens …«, Alex macht eine dramatische Pause und

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