Dann gute Nacht Marie
hinwegtäuschen, dass Marie auch zum jetzigen
Zeitpunkt noch keine Erfolg versprechende Vorgehensweise für ihr Zusammentreffen mit Lutz eingefallen war. Problematisch daran war vor allem die Tatsache, dass die Zeit trotzdem unaufhaltsam und scheinbar wie im Flug verging. WEITER. Schließlich beschloss sie, das Ganze gezwungenermaßen auf sich zukommen zu lassen. Im Notfall erzählte sie eben doch vom Besuch bei den Eltern, vielleicht würde das mildernde Umstände bringen. Eventuell konnte sie auch die Geschichte zeitlich etwas verlängern und damit eine Rechtfertigung für ihren Rückstand mit dem Roman liefern.
Leicht beruhigt, aber trotzdem aufgeregt machte sie sich gegen halb sechs auf den Weg in die Uni, um ihren Rettungsplan alsbald in die Tat umzusetzen. Noch länger hätte sie in keinem Fall zu Hause, sämtliche Möglichkeiten erwägend, um das Telefon herumschleichen wollen. Jetzt entschied es sich - so oder so.
Als Marie im Seminarraum ankam, waren noch erstaunlich wenige Studenten auf ihren Plätzen, von Birthe zum Glück keine Spur, von Lutz leider auch nicht. Aber er kam ja immer erst kurz vor Beginn, sodass sie das Gespräch unter vier Augen sowieso auf einen geeigneten Zeitpunkt nach dem Seminar verschieben musste. Damit hatte sie durchaus gerechnet, auch wenn sie es lieber auf der Stelle hinter sich gebracht hätte. Der Raum füllte sich nach und nach etwas mehr, einer der Studenten schloss schließlich die Türe, obwohl der Seminarleiter immer noch nicht erschienen war.
Er ging nach vorn, stellte seine Aktentasche auf den Tisch und meinte mit erhobener Stimme: »Meine Damen und Herren, darf ich einen Moment um Ruhe bitten! Herr Maibach lässt sich heute leider entschuldigen.
Er ist erkrankt und kann daher das Seminar nicht selbst halten. Er hat deshalb mich, seinen Assistenten, gebeten, das für ihn zu übernehmen. Einige werden mich schon kennen - mein Name ist Armin Keller.« BEARBEITEN? LÖSCHEN?
Marie sah in diesem Moment alle ihre Felle davonschwimmen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Natürlich war sie ein bisschen froh, dass sie Lutz nun nicht ihre dürftige Entschuldigungsgeschichte auftischen musste. Andererseits, wenn sie ihn überhaupt nicht mehr treffen würde, war das auch schon egal. Während Herr Keller einige weitere einleitende Worte sprach, überlegte Marie fieberhaft, wie sie auch ohne Seminar mit Lutz Maibach in Kontakt treten konnte, ohne zu aufdringlich zu erscheinen.
»Ach ja, wer von Ihnen ist denn Frau Hartmann?«, drang es plötzlich an ihr Ohr, sodass sie erschrocken zu Herrn Keller blickte, der suchend von einem zum anderen blickte. OPTIONEN? Einen kurzen Moment dachte sie daran, sich einfach nicht zu melden, doch die anderen Teilnehmer kannten sie ja schließlich schon, sodass sie sich nur verdächtig gemacht hätte.
Also hob sie notgedrungen den Arm und äußerte ein zartes: »Hier«.
»Herr Maibach hat mich gebeten, mich auch um Sie und Ihren Roman zu kümmern. Falls Sie also Fragen außerhalb der Thematik oder ergänzend zum Stoff haben, können Sie mich gerne im Seminar oder danach ansprechen, Frau Hartmann.« Vielen Dank. Das fehlte gerade noch. Ein weiterer hilfreich Bemühter.
Marie nickte dankend und senkte enttäuscht den Kopf, als könne sie sich damit unsichtbar machen. Lutz
hatte sie also bei der ersten Gelegenheit an einen anderen weitergereicht. Er wollte gar keine Erklärungen zu ihrem Plagiat hören, er wollte sie nicht mehr sehen, er hatte ihren gemeinsamen Weg für beendet erklärt. Keine Rücksprache, keine Vorwürfe, nicht einmal das war sie ihm wert. UNTERSTREICHEN. Diese Erkenntnis traf Marie unvorbereitet und deshalb umso härter. Den Ausführungen des Herrn Keller schenkte sie keinerlei Aufmerksamkeit mehr.
Auf dem Heimweg dachte Marie nur an Lutz. Vielleicht war er wirklich krank. Schließlich konnte es doch nicht sein, dass er, allein um ihr aus dem Weg zu gehen, seine Studenten im Stich ließ. Vielleicht war seine Ansage an den Assistenten Keller nur eine Übergangslösung, die sich bei Gesundung des Dozenten von selbst erledigt hatte. Vielleicht ging es ihm so schlecht, dass er sich überhaupt keine Gedanken über fremde Belange jedweder Art machen konnte. Doch wie konnte sie das herausfinden? SUCHEN. Sie hatte keine Adresse, und ihre Anrufe beantwortete er nicht. Aber sie hatte seine E-Mail-Adresse an der Uni - vielleicht war das noch eine Möglichkeit. Peinlicher konnte es für sie nicht mehr werden, so viel war
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