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Dann gute Nacht Marie

Titel: Dann gute Nacht Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Becker
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wissen.
    Marie spülte sorgfältig ihre mitgebrachten Dosen und bestückte sie zum Teil mit kleinen Büroutensilien und teilweise mit Lebensmitteln. Dann verteilte sie sie sichtbar in Wohnzimmer und Küche, nicht ohne zwischendurch einen Blick auf den AB zu werfen. Nichts. Die
Wohnung dagegen hatte zunehmend mehr zu bieten. Sie wurde nach und nach lebendiger, gemütlicher, persönlicher. Dafür, dass sie seit fast sechs Jahren hier lebte, war das reichlich spät. Zum Glück aber nicht zu s pät, zumindest nicht für einen angemessenen Nachlass. SPEICHERN.
    Schnell einen Blick auf den Anrufbeantworter. Nichts. Unschuldig strahlte das rote Lämpchen sie an, dachte aber gar nicht daran zu blinken. Vielleicht war es kaputt? Aber würde es dann leuchten? Bei dieser Überlegung kam Marie die einzige Erklärung, die es jetzt noch für diese allumfassende Funkstille gab: Der Stecker der Telefonschnur musste sich etwas aus der Dose gelöst haben oder das Kabel an irgendeiner verborgenen Stelle defekt sein. Beim Abheben des Hörers war zwar ein deutliches Tuten zu vernehmen, aber vielleicht gab es Störungen, die sich nur in eine Richtung auswirkten?
    Da das Telefonkabel unter der Kommode im Flur entlang ins Wohnzimmer verlief, wo sich hinter dem Bücherregal die dazugehörige Buchse in der Wand befand, rückte Marie zunächst die Kommode zur Seite, um die Schnur hervorholen zu können. Außer einer dicken Schicht Staub fand sie darunter ihren Zweitschlüssel, den sie schon lange vermisste, und einen ihrer Lieblingshandschuhe. Das Telefonkabel jedoch erwies sich nach genauer Prüfung in diesem Kontrollabschnitt als fehlerlos. WEITER. Entlang der Wand ins Wohnzimmer untersuchte sie gewissenhaft jeden Zentimeter, konnte aber weder Bruchstellen im Kunststoffmantel noch andere Beschädigungen entdecken. Am Regal angekommen, bewegte sie auch das unter großer Kraftanstrengung ein kleines Stück von der Mauer weg, um an die Telefonbuchse zu gelangen. Der Stecker war fest in der Dose verankert,
das Kabel zeigte auch hier keinerlei Risse oder Ähnliches.
    Marie wollte sich schon enttäuscht abwenden, da sah sie auf dem Boden, eingebettet in ein flauschiges Staubflusennest, den Ring, den sie von Ben zum Geburtstag bekommen und auch nach ihrer Beziehung noch lange getragen hatte. Irgendwann war er unauffindbar gewesen, obwohl sie tagelang alles danach abgesucht hatte. Als sie ihn in der Hand hielt und die Staubkörner von dem kleinen Stein wischte, freute sie sich so über ihren unverhofften Fund, dass sie das Telefon und Maibach ganz vergaß. Doch der Gedanke an ihre längste und intensivste Beziehung brachte sie auch schnell wieder zurück in die Gegenwart. SUCHEN. Mit neuem Elan zog sie den Telefonstecker heraus, prüfte auch ihn auf sichtbare Schäden und platzierte ihn wieder fest in der Dose. Das Tuten, das jetzt aus dem Hörer kam, klang exakt wie zuvor. Marie saugte noch schnell den Boden hinter Kommode und Regal - darauf hätte sie auch schon früher kommen können - und schob dann beides wieder zurück an seinen Platz.
    An Kabel oder Stecker konnte es also nicht liegen, dass der versprochene Anruf von Lutz nicht bei ihr ankam. Vielleicht ein Problem bei der Telefongesellschaft? Marie rief sofort dort an, musste aber erfahren, dass mit ihrer Leitung alles in Ordnung zu sein schien. Zur Sicherheit rief sie ihren Vater kurz an, meldete sich wohlbehalten zurück in München und bat ihn, kurz bei ihr anzuklingeln. Gleich darauf läutete das Telefon laut und vernehmlich, und auch der daraufhin erbetene AB-Test verlief ohne Befund.
    Gegen Abend musste Marie sich langsam eingestehen,
dass Lutz Maibach sie offensichtlich nicht zurückrufen wollte. Oder war etwa sein Anrufbeantworter kaputt? Nachdem er brav seinen Spruch gesagt und pflichtschuldigst doppelt gepiept hatte, eher unwahrscheinlich. Nein, Lutz wollte eindeutig nichts mehr von ihr wissen. Trotzdem würde sie morgen in der Uni die letzte aller Möglichkeiten zu einem Gespräch nutzen, um eventuell zu retten, was zu retten war.
    Wie nur sollte sie den gesamten Mittwoch bis zum Beginn des alles entscheidenden Seminars überstehen, ohne im Viertelstunden-Takt Telefon und AB zu kontrollieren? Sie musste sich unbedingt beschäftigen. Das Kofferpacken für den Kurztrip nach Rom, der am Donnerstagmittag starten sollte, würde niemals den ganzen Tag in Anspruch nehmen.
    Beim Ins-Bett-Gehen nahm Marie erstaunlich erleichtert wahr, dass das befürchtete Brennen im Brust- und

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