Dann gute Nacht Marie
definitiv zu spät.
Die peinliche Nachricht war und blieb auf seinem AB und erhöhte die Anzahl ihrer mit sicherem Schritt betretenen Fettnäpfchen erneut. Welche Art von Versteigerung war das hier eigentlich? Noch ein Fettnapf abzugeben! Vom Künstler ganz frisch aufgestellt! Wer bietet mehr? Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten! Dieses Fettnäpfchen geht schon wieder an die ungeschickte Dame mit dem Kater in der ersten Reihe. Na danke.
Das Teewasser, das inzwischen kalt geworden war, musste nun erneut zum Kochen gebracht werden. Immer noch in Gedanken an Lutz versunken, übergoss Marie kurze Zeit später ihren Ingwerteebeutel mit dem Inhalt des Wasserkochers. Der Tee schien nicht mehr ganz so frisch zu sein, denn das Gebräu schäumte zunächst unnatürlich auf und bildete weiße Blasen an der Oberfläche. Doch nach kurzem Rühren verschwand der Schaum, und der Tee sah aus wie immer. Er roch noch etwas streng, doch Marie maß dem keine Bedeutung bei. Sie hatte diese Sorte wirklich schon lange nicht mehr getrunken und konnte sich deshalb auch nicht mehr so gut an Geruch und Geschmack erinnern. VERWERFEN. Sie ließ das Getränk noch ein paar Minuten ziehen, machte es sich mit Kasimir auf dem Sofa gemütlich und fragte sich, wie sie in Sachen Lutz weiter vorgehen sollte.
Marie nahm einen ersten großen Schluck Tee und wusste im selben Moment, warum der Aufguss ein so ungewohntes Aussehen und herbes Aroma hatte. Das war nicht der Ingwer. Auch nicht die etwas längere Lagerung
der Teebeutel. Als Marie die unangenehme Schärfe auf der Zunge und im gesamten Mund spürte, die sich in Windeseile bis in den Rachenraum ausbreitete, wusste sie, dass sie vergessen hatte, das Wasser mit dem Entkalker abzugießen. LÖSCHEN. Panisch rannte sie ins Badezimmer, wo sie den Rest der ätzenden Chemikalie ins Waschbecken spuckte und gleich anschließend minutenlang mit Leitungswasser nachspülte. Das zumindest hatte ihr die tagelange Auseinandersetzung mit dem Thema Gift gebracht: Sie wusste sofort, was zu tun war, um den aufgenommenen Fremdstoff möglichst schnell zu neutralisieren.
Nachdem sie die chemische Keule, die den Weg in ihren Magen gefunden hatte, mit mehreren Litern Leitungswasser extrem verdünnt hatte, verzichtete sie darauf, wie meistens angeraten (auch das wusste sie), den Arzt aufzusuchen, und machte sich daran, Wasserkocher und Teetasse minutiös von allen Entkalkeranteilen zu befreien.
Nach ausführlicher Spül- und Reinigungsaktion kochte Marie einen neuen Ingwertee, der nun auch vertraut aussah, roch und schmeckte. Kasimir, der die Aufregung überhaupt nicht verstand und konfus mehrmals zwischen Bad, Küche und Wohnzimmer hin und her lief, legte sich verwirrt auf seinen Sessel und putzte sich, so als wollte er mit dem hektischen Frauchen heute nichts mehr zu tun haben.
Mit kleinen vorsichtigen Schlucken trank Marie ihren erneut abgekühlten Ingwertee und versuchte dabei, irgendeine Reaktion ihres Magens auf Entkalker und anschließende Extremspülung wahrzunehmen. SUCHEN. Bei ihrer Recherche zu allen möglichen und unmöglichen
Vergiftungsfällen hatte sie oft genug gelesen, was Chemikalien im Inneren des Körpers anrichten konnten. Trotzdem wusste sie natürlich nicht mit Sicherheit, wie sich Verätzungen in Rachen, Speiseröhre oder Magen anfühlten, und wollte es auch gar nicht wissen. Sie verfolgte jeden Schluck Tee in Gedanken vom Mund über die Speiseröhre in den Magen, konnte aber beim besten Willen keinerlei Beschwerden in den angegebenen Körperteilen ausmachen. Sie schien offensichtlich dem Tod oder seinen Vorboten noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein, was ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerade ungelegen kam. UNTERSTREICHEN. Schließlich hatte sie mit Lutz Maibach noch eine, wenn auch recht unangenehme, Rechnung offen, die sie auf jeden Fall zu ihrer Zufriedenheit begleichen wollte. Kneifen kam an diesem Punkt überhaupt nicht in Frage. Vielleicht war an ihrem Leben ja doch noch etwas zu retten … Einen Versuch war es wert.
Den Rest des Tages verbrachte Marie damit, sich mit den verschiedensten Tätigkeiten davon abzuhalten, in Minutenabständen Telefon und AB im Flur einen Besuch abzustatten. Jede Viertelstunde genügte ja auch. Es konnte doch sein, dass man das Klingeln überhört hatte. Natürlich war das unwahrscheinlich, wenn man mit beiden Ohren sowieso nur im Flur war, und der Anrufbeantworter auch erst nach sechs Mal Läuten ansprang. Doch schließlich konnte man nie
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