Dann klappt's auch mit dem Doktor
der alte Feldwebel, treibt sich schlieÃlich oft genug zu später Stunde im Labor herum, um ihre Untergebenen zu überwachen.«
»Ich weiÃ, was wir machen. Dietrich kommt nachher zum Spätdienst. Wir lauern ihm im Fahrradkeller auf. Ich werde dich bei dieser geheimen Operation natürlich unterstützen.«
»Na, das nenne ich mal Engagement. Und es klingt übrigens schon wieder nach einer beknackten Idee.«
»Quatsch, wir treffen uns um Viertel vor vier vor dem Fahrradkeller. Denk daran, wir sind inkognito«, flüstert Vera verschwörerisch.
»Frau Plüm, wollten Sie nicht längst mit Ihrer Ambulanz beginnen?«, unterbricht Denner gereizt von hinten unser Gespräch.
Was schleicht der denn hier im Gang herum? Hat er etwa gelauscht? Ich hoffe nicht und versuche, mich rasch aus der Affäre zu ziehen: »Ja, klar. In zwei Minuten. Verständnis und Sensibilität. Ich hab mir alles gemerkt.«
Vera kichert schon wieder und macht sich aus dem Staub: »Machâs gut, viel Spaà auf Sylt, und lass dich ordentlich flâ¦, äh, lasst es ordentlich krachen.«
»Lasst es ordentlich krachen?« Denner zieht die linke Augenbraue hoch.
Ich zucke verlegen lächelnd mit den Schultern und verdrücke mich flugs in mein Sprechzimmer. Manchmal wünschte ich, es gäbe bei Vera eine Notfall-Stummschaltung. Dieser Spruch eben hätte auch von Till kommen können.
Die von Denner ausführlich angekündigte Desiree ist meine erste Patientin. Sie hatte fast ganze drei Wochen mit ausgewogener Ernährung durchgehalten. Letzte Woche wurde sie dann aber in der Schule von ihrem Schwarm als stinkende fette Sau bezeichnet und hat sich seitdem mit Kübeln von American Ice Cream plus Schokosauce, Krokant und Sprühsahne getröstet. Die Reaktion an sich kann ich insgeheim ja verstehen, so was ist ein harter Schlag, aber musste es gleich so viel sein? Das Ergebnis sind satte drei Kilo mehr auf der Waage als in der Woche zuvor. Hätte sie sich nicht aus Trotz mal erst recht gesund ernähren oder zur Frustbekämpfung mal laufen gehen können? Sich bei einer Freundin ausheulen?
Oder einfach häufiger duschen? Das tut Desiree nämlich selten. Nach der Adipositas-Sportgruppe duscht sie nach Angaben der Sportlehrer nie, zumindest nicht hier. Der Grund dafür ist, dass sie sich wegen ihres Ãbergewichtes schämt und sich selbst auch gar nicht gerne nackt sieht. So leid mir das für sie tut, ich muss schleunigst das Fenster öffnen und ordentlich durchlüften. Denner schreibe ich eine Nachricht auf ein Post-it, das ich auf die Akte klebe: Gespräch von Frau zu Frau erfolgt. Bitte weiteres psychologisches Gespräch über Umgang mit Frust und eigene Körperwahrnehmung.
Tanja ist die Nächste. Fünfzehn Jahre ist sie alt und bringt bei hundertachtundsechzig Zentimetern stolze hundertfünfunddreiÃig Kilo auf die Waage. Im letzten halben Jahr hat sie fünfhundert Gramm abgenommen. Wir wollen zwar keine Crash-Diät durchführen, aber das ist einfach zu wenig. Ich beginne, sie über ihre Ernährung, die laut ihrem Ernährungsprotokoll, das jedes Kind führen muss, angeblich optimal ist, auszufragen. Beim gestrigen Mittagessen können wir die Befragung bereits beenden. Zu Mittag gab es zwei Tüten Chips mit Cola. Wieso? Ganz einfach. Wenn Tanja mittags von der Schule nach Hause kommt, hat ihre Mutter, eine Vollzeithausfrau, keine Zeit, ihr ein gesundes Essen zuzubereiten. Da läuft ihre Lieblings-Talkshow, und die muss sie sich anschauen. Immer! Ich schreibe Denner ein Post-it. Er soll noch mal mit der Mutter sprechen.
Marvin hat zwei Kilo zugenommen, und sein Ernährungsprotokoll ebenfalls eindeutig gefälscht. AuÃerdem hat er keinen Bock, sich von âner Frau was sagen zu lassen. Auch ihn schicke ich mit einer Nachricht zu Denner. Bis jetzt habe ich zwar leider keinen einzigen Patienten getroffen, der ernsthaft abnehmen möchte, aber wirklich kompliziert ist das mit der Ambulanz nicht.
Ich bin sehr zufrieden mit mir, als ich mich gegen Mittag mit Denner zur Nachbesprechung treffe. Der ist hingegen eindeutig verstimmt. »Frau Plüm. Haben Sie mir überhaupt zugehört?«
»Sensibilität, Verständnis, Einfühlungsvermögen. Habe ich alles angewendet. Aber natürlich musste ich bei dem einen oder anderen auch ein paar klare Worte sprechen«, gebe ich zurück.
»Bei der
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