Dann klappt's auch mit dem Doktor
Nervtöt-Denner. Der sitzt über seinen Schreibtisch gebeugt da, in der linken Hand einen Bleistift, auf dem er eifrig herumkaut, und trommelt mit den Fingern der rechten unablässig auf den Tisch. Angekaute Stifte sind mir ja schon ein Graus, aber diese Trommelei ist Sabotage.
»Herr Denner?«, frage ich gereizt.
»Ja?«
»Könnten Sie das unterlassen?«
»Was?«
»Das Getrommel.«
»Das was?«
»Sie trommeln.« Ich zeige vorwurfsvoll auf seine rechte Hand. Denner schaut mich an, als wäre ich ein Teletubby.
»Sie trommeln mit der Hand auf den Tisch.«
»Ach so. Das mache ich immer, wenn ich mich konzentriere.«
»Dann kann ich mich aber nicht konzentrieren.«
Wir wenden uns wieder der Arbeit zu. Nach eineinhalb Minuten wohltuender Stille geht das Trommelfeuer weiter. Der Kerl treibt mich noch in den Wahnsinn. Am liebsten würde ich seine Hand an der Stuhllehne festbinden.
»Herr Denner.«
»Ja?«
»Sie trommeln.«
Diesmal hält er es fast fünf Minuten aus. Dann trommelt er weiter.
»Herr Denner.«
»Ja?«
»Das geht so nicht.« Mir reichtâs. Ich hole ein kleines Handtuch aus dem Schrank, lege es zusammengefaltet auf seinen Tisch und platziere seine Trommel-Hand darauf.
»Vielleicht geht es so.«
Jetzt schaut Denner mich an, als wäre ich ein Amok laufendes Teletubby.
»Frauen!«, stöhnt er. Aber er fügt sich. Eine wunderbare Stille erfüllt den Raum, und ich kann endlich meine Patienten eingeben. Ab und an werfe ich einen verstohlenen Blick nach hinten und sehe, wie Denners Finger stumm auf das Handtuch trommeln. Nach knapp drei Stunden bin ich mit meiner Tabelle fertig. »Ich bin so weit. Von meinen siebenundfünfzig Patienten könnten knapp vierundzwanzig von sozialen Hilfen profitieren. Wie sieht es bei Ihren aus?«
Denner wühlt hektisch in seinem Papiersalat. »Wie haben Sie denn das so schnell rausgekriegt?«
»Mit der Rechenfunktion von Excel.«
»Wie viele von diesen Patienten werden denn nur von einem Elternteil betreut?«
»Sechzehn.«
»Und wie viele haben Probleme in der Schule?«
»Dreiundzwanzig.«
»Lassen Sie mal sehen.« Mit gerunzelter Stirn prüft Denner die Tabelle. Dann glätten sich seine Gesichtszüge. »Das ist ja erstaunlich. Die Tabelle ist wirklich gut.«
Natürlich ist sie gut.
»Ich bin mit den Notizen über meine Patienten ebenfalls fast fertig. Vielleicht könnten Sie die auch noch schnell in Ihre Tabelle eingeben.«
»Aber Sie haben sie ja schon nach Ihrem Zettelsystem erfasst. Sie jetzt auch noch einzugeben wäre doppelte Arbeit.«
»Aber viel übersichtlicher.«
»Ja klar. Das habe ich Ihnen schon vorher gesagt.«
»Dann können wir die Daten ja noch eingeben.«
Oha, er benutzt das hoheitliche Wir. Das hört sich nicht gut an.
»Das können Sie gern machen, wenn Sie wollen. Ich habe meine Patienten sofort eingegeben, um mir doppelte Arbeit zu ersparen. Um Ihre müssen Sie sich jetzt schon selbst kümmern. Ich werde es nicht ausbaden, dass Sie meinen Vorschlag mit der Tabelle nicht annehmen wollten. Wenn Sie Fragen zum Programm haben, können Sie sich gerne jederzeit an mich wenden.«
»Frau Plüm, jetzt seien Sie doch nicht beleidigt, nur weil ich Ihrem Vorschlag nicht sofort zugestimmt habe.«
»Ich bin nicht beleidigt, ich habe nur keine Lust, Ihre Daten jetzt auch noch einzugeben.«
»Wissen Sie was? Ich glaube, Sie haben ein Problem mit Teamarbeit.«
»Ich habe ein Problem mit unnützer doppelter Arbeit. Ich habe Ihnen von Anfang an gesagt, dass wir die Patienten gleich eingeben sollten. Alles andere sind ArbeitsbeschaffungsmaÃnahmen.«
»Soll das heiÃen, Sie weigern sich, die Patienten einzugeben?«
»Das heiÃt, ich weigere mich ineffizientes Arbeiten zu fördern.«
»Sie sind einfach kein Teamplayer. Wenn Sie sich auch nur einmal ernsthaft mit Ihren Mitmenschen beschäftigen würden, anstatt mit diesen Romanheftchen, würde Ihnen das klarwerden.«
»Wenn Sie das so sehen, werde ich jetzt Feierabend machen und mich ausgiebig mit einem ganz besonderen Mitmenschen beschäftigen.«
Zitternd vor Wut schnappe ich mir meine Tasche, verlasse das Büro und mache mich auf den Weg zum Fahrradkeller. Ich kann Denner keine Sekunde länger ertragen. Als ob ich Zeit und Lust dazu hätte,
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