Dann klappt's auch mit dem Doktor
immer neben dir saà â¦Â«
Aua! Mein Gesicht brennt wie Feuer. Die straffende Maske ziept zwar immer ein wenig, aber jetzt fühlt es sich an, als ob ich mir Chilipulver auf meine zarte Haut geschmiert hätte. Da stimmt was nicht!
»Mutter, ich muss auflegen, ich kann jetzt nicht â¦Â«
Panisch wühle ich auf der Schminkablage nach meiner Brille, wobei ich gegen meine Haarschaumdose stoÃe. Umfallende Gegenstände in Badezimmern lösen bekanntlich stets unangenehme Kettenreaktionen aus. Die Haarschaumdose stöÃt, bevor sie herunterfällt, gegen die Rasierschaumdose, welche eine Tube Nachtcreme, die Zahnpastatube, drei Ampullen Feuchtigkeits-Anti-Aging-Augenserum und einen Parfümflakon mit zu Boden reiÃt. Ich höre Glas splittern. Es duftet nach dem grauenvollen Parfüm, das meine Eltern mir zu Weihnachten geschenkt haben. Mutter lässt nicht locker: »⦠also Tina â¦Â«
»Ich muss auflegen. Machâs gut. Wir telefonieren die Woche.«
»Dann eben nicht. Du bist so undankâ¦Â«
Ich lege auf und werfe das Telefon auf den Waschbeckenrand. Ich verbrenne! Endlich halte ich meine Brille in den Händen.
Schâ¦! Verdammt! Ich habe mir Schrundencreme ins Gesicht geschmiert. Welcher Idiot hat die denn zu den Gesichtsmasken gestellt? Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass es hier nur eine Person gibt, die so etwas macht, und die versucht gerade panisch, Schrundencreme von ihrem Gesicht abzuwaschen. Meine Haut leuchtet in grellem Pink. Selbst stundenlanges Kühlen und Pflege mit einer entzündungshemmenden Salbe helfen da kaum. Vorsichtig beseitige ich die Ãberbleibsel des Parfümflakons und reiÃe alle Fenster auf. Dieser geballte süÃliche Oma-Duft, der sich inzwischen in meiner ganzen Wohnung ausgebreitet hat, ist unerträglich.
Kapitel 12
Auf meinem allmorgendlichen Weg zum Dienstplan in der Notaufnahme begegne ich Dr. Kruppa, der mich fröhlich begrüÃt: »Einen guten Montagmorgen wünsche ich Ihnen, Frau Dr. Plüm. Meine Güte, Sie haben aber Farbe bekommen. Waren Sie im Urlaub?«
»So ungefähr. Ich habe das Wochenende am Meer verbracht«, rede ich mich raus.
Der Tag fängt ja wieder gut an. Es hat mich Stunden gekostet, mir nach dem Schrundencreme-Unfall mit Make-up, Concealer und tonnenweise Puder einen annehmbaren Teint zu zaubern.
Heute bin ich für den Vormittag auf der kinderchirurgischen Station eingeteilt. Dort steht die Oberarztvisite mit Dr. Klemme an. Urrgh, meine Laune sinkt rapide. Das hat mir heute gerade noch gefehlt. Mürrisch begebe ich mich auf die Station. Ich kenne dort keinen Patienten, mein Gesicht ist immer noch krebsrot, und meine Bereichskleidung sieht aus, als hätte ich monatelang darin geschlafen. Kaum habe ich den Fahrstuhl verlassen, kommt mir Klemme auch schon entgegen: Ausgeruht, braun gebrannt, mit perfekter Föhnwelle und frischer, glattgebügelter, einwandfrei sitzender Bereichskleidung.
Die Visite vergeht zum Glück ohne nennenswerte Zwischenfälle: hier ein Verbandswechsel, da mehr Nahrung, dort weniger Infusion. Fäden und Drainagen werden gezogen. Einige Patienten gehen freudestrahlend nach Hause. Die meiste Zeit über straft mich Dr. Klemme für unseren Streit bei der letzten Visite mit Missachtung. Und ich? Ich lächle ihn einfach tumb in Grund und Boden. Gegen Ende nimmt er mich vertrauensvoll zur Seite.
»Frau Plüm, es wäre schön, wenn Sie bei der nächsten Visite über die Patienten Bescheid wüssten. Vielleicht sollten Sie sich weniger in der Sonne herumtreiben.«
»Dr. Klemme, dies ist seit langem mein erster Einsatz auf Ihrer Station. Wie soll ich da �«
»Immer diese Ausreden. Engagierte Assistenten informieren sich vor der Visite.«
»Die Visite beginnt gleich nach der Frühbesprechung und die ist Pflicht.«
»Dann kommen Sie halt vor der Besprechung auf die Station, um nachzuschauen, was los ist.«
Nun haben auch Assistenzärzte gewisse Rechte. Ich werde gewiss nicht um sechs Uhr hier auflaufen, nur weil die Stationen ständig neu besetzt werden. Als ob Dr. Klemme so etwas jemals selbst machen würde. Bevor ich mir aber überlegt habe, ob ich mich wirklich mit ihm anlegen soll, werde ich auÃerplanmäÃig in die Notaufnahme gerufen.
Dort geht es zu wie auf dem Rummelplatz. Es sind Sommerferien, die Zeit der Knochenbrüche, Prellungen, Schürf- und
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