… dann klappt's auch mit der Liebe (German Edition)
stärkeres Bedürfnis hatte als früher, seine Schwester zu verteidigen.
Nachdem er die Nachricht gelöscht hatte, starrte er wütend auf das Handy. Ja, seine Eltern waren stolz auf ihn, waren es immer schon gewesen. Aber leider war ihr Stolz wie ein Kuchen: Je mehr Stücke Quinn abbekam, desto weniger blieb für Molly übrig. Und sie hatten Quinn sein Leben lang förmlich gemästet mit ihrem Lob.
Schon in der Grundschule hatte er angefangen, sich auf seine Hausaufgaben zu stürzen wie ein Besessener. Und der Zeugnistag war stets eine Gelegenheit für ihren Vater gewesen, etwas grausam Geringschätziges zu Molly zu sagen. Sei froh, dass du ein Mädchen bist, Molly. Sonst müsstest du dir wirklich Gedanken machen, warum du nicht so klug bist wie dein Bruder. Oder: Sieh mal einer an, Molly hat tatsächlich eine Eins– wenn auch nur in Kunst.
Gott, wie sehr er das gehasst hatte. Schon als Kind hatte er das Lob seiner Eltern als etwas empfunden, das man besser mied. Deshalb hatte er sich tagelang in seinem Zimmer verbarrikadiert, um zu lernen und Modelle zu basteln. Sein Talent, sich in seiner Arbeit zu verlieren, war von Anfang an eine Form der Flucht gewesen.
Vielleicht sollte er seine Mutter anrufen und ihr dafür danken. Schließlich hätte er niemals Gelegenheit gehabt, Lori Love bei ihrem Sexabenteuer zu helfen, wenn er weniger gearbeitet und dafür eine richtige Beziehung gehabt hätte. Und seine aktuelle Kurzzeitbeziehung war auf dem besten Weg, ihn für all die Langzeitbeziehungen zu entschädigen, die er bisher gegen die Wand gefahren hatte.
„Oh ja, auf dem allerbesten Weg“, murmelte er und zog auf der Suche nach einer Dose Cola die Kühlschranktür auf.
Wie sich herausstellte, bunkerte Lori nicht nur eine Menge Cola, sondern auch eine Familienpackung Hotdogs in ihrem Kühlfach, die nur darauf wartete, verspeist zu werden.
„Was für eine Frau“, murmelte Quinn, bevor er zwei Hotdogs in sich hineinstopfte und sie mit einer Dose Cola hinunterspülte. Anschließend spazierte er ins Wohnzimmer und überlegte, ob er nach Hause fahren sollte, obwohl er eigentlich lieber über Nacht geblieben wäre.
Doch der Anblick des Wohnzimmers erlöste ihn von der Grübelei.
Wie zur Hölle war es möglich, dass eine so lebhafte Frau wie Lori in diesem verstaubten Albtraum von Haus wohnte? Bewahrtesie die alten Pokale, Möbel und Ölschinken als eine Art Andenken an ihren Vater auf? Oder war ihr ihre Umgebung einfach nur vollkommen egal?
Lori war klug und witzig, jung und hübsch. Sie brauchte Licht, um wachsen zu können, und viele Farben.
Seufzend schüttelte Quinn den Kopf und kehrte in die Küche zurück, als ein bläuliches Licht im ersten Stock seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Mitten im Flur hielt er inne und beobachtete die Wand oberhalb der Treppe. Wieder ein hellblaues Blitzen. Es sah so aus wie das Flackern eines Fernsehers. Beunruhigt lief Quinn die Treppe nach oben.
Vom Flur gingen drei Türen ab, von denen nur eine geöffnet war. Dahinter befand sich ein Jugendzimmer, das früher vermutlich Loris Kinderzimmer gewesen war. Die Wände waren mit Postern vollgekleistert, und auf dem Bett lag ein dunkelrosafarbener Überwurf. Er schaltete das Licht ein.
Er hatte fest mit Postern von Madonna und Boybands gerechnet. Aber was ihn erwartete, war etwas ganz anderes. Seltsam. Alle Bilder an den Wänden zeigten Reiseziele.
„Hm.“ Bei einigen handelte es sich um Anzeigen aus den Dreißigerjahren, andere waren typische Reisebüro-Plakate. Rom, Paris, die Türkei, Griechenland, Irland. Amsterdam, Bayern, London, die Alpen. Außerdem ein paar exotischere Ziele wie St. Petersburg, Kairo und Madagaskar.
Erstaunt drehte er sich einmal im Kreis, war nachher aber nicht viel klüger als vorher. Quinn quetschte sich zwischen Fernseher und Bett bis zum Bücherregal durch und ging die Titel durch. Reiseführer und Bildbände, ausnahmslos. Es mussten Hunderte sein, und auf dem Boden stapelten sich weitere.
Lori reiste? Anders konnte er sich das nicht erklären. Doch dann erinnerte er sich vage an ein Gespräch, in dem Molly ihm erzählt hatte, dass Lori all ihre Träume für ihren Vater aufgegeben hatte. Irgendetwas von Europa und einem Wirtschaftsstudium.
„Scheiße“, flüsterte er. Beim Anblick der Bücher wurde ihmganz schwer ums Herz. England für fünfzig Dollar pro Tag. Frankreich für Alleinreisende. Und so weiter und so fort.
Dieses Zimmer war Loris Rückzugsort in diesem Haus. Und vielleicht war all
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