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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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Broker«, äußert er, als er mich sieht, lässt seine Augen an mir herauf und herunter wandern. »Sehr dekadent. Zu schade, dass Sie nicht in der Lage sind, Ihre Leistungen entsprechend anzupassen. So wird es nichts mit Ihrer Karriere – es sei denn, als Komparse in einem Stummfilm.«
    Ich versuche, seinem Spruch an mir abprallen zu lassen, rede mir ein, dass einer wie er mich nicht verletzen kann. Bollschweiler weiß nicht, dass ich in meinem Anzug schon den Himmel gesehen und unter meinem Rücken die feuchte, dunkle, klebrige Kälte der Erde eines frisch ausgehobenen Grabes gespürt habe. Dass er meine Schutzuniform gegen ihn ist und gegen alles andere, was ich nicht mehr ertrage. Dass er mein Totenhemd ist. Niemand weiß davon. Es gab keinen Bollschweiler im Grab. Es gab nur Frieden.
    Am Nachmittag treffe ich mich mit Annika in der Stadt, sie hat darauf bestanden, dass wir zu meinem Anzug passende schwarze Schuhe kaufen. Hinterher landen wir in einem Schnellrestaurant.
    Â»Du bist die ganze Zeit so still«, bemerkt Annika, als wir fast aufgegessen haben.
    Â»Bin ich doch immer«, weiche ich aus.
    Â»Wieder Stress mit Bollschweiler?«, hakt sie nach. Ich habe keine Lust, über ihn zu reden und nicke nur.
    Â»Meine Güte, dann wehr dich doch endlich mal!«, ruft sie. Ein paar Leute von den umstehenden Tischen blicken zu uns herüber. Annikas Blick verrät Ungeduld, sogar Verachtung schwingt darin mit. »Du bist selber schuld, wenn du dir alles gefallen lässt! Für das, was er zu dir gesagt hat, könnte man ihm glatt ein Disziplinarverfahren anhängen! Sag es deinem Vater, der wird ihn sich schon vorknöpfen!«
    Ich zucke mit den Schultern. »Das sagst du so leicht. Das Abi ist für mich sowieso gelaufen.«
    Â»Du bist ein Schaf, Max. Bollschweiler beleidigt dich, und du lässt es einfach auf dir sitzen? Du bist echt peinlich, tut mir leid.«
    Â»Du stellst dir das so einfach vor«, erwidere ich. »Aber wir sind gerade mitten in den Abiprüfungen, als Nächstes habe ich die Schriftliche in Mathe. Wenn ich mich jetzt mit Bollschweiler anlege, bekomme ich die Quittung direkt aufs Zeugnis.«
    Â»Jetzt pass mal auf.« Annika beugt sich vor, sieht mir eindringlich in die Augen. Sie nimmt sogar meine Hand und drückt sie zwischen ihren schmalen, kühlen Fingern. »Da war doch auch dieser Spruch Philine gegenüber. Bestimmt seid ihr nicht die Einzigen, die er so niedergemacht hat. Wenn sich ganz viele zusammenfinden und gegen ihn aussagen, schaffen wir es vielleicht, dass er gehen muss! Ich wette, dann kannst du dich auch wieder besser auf den Lernstoff konzentrieren.«
    Einen Augenblick lang denke ich nach. Bollschweiler, wie er fliegt. Vorher noch Termine mit dem Schulrat, Gespräche, in denen er sich verantworten muss. Erklären, wie er dazu käme, solche Worte gegenüber seinen Schutzbefohlenen, den Schülern zu verwenden. Zusehen, wie er sich windet, versucht sich herauszureden, alles herunterzuspielen, ohne Erfolg. Auf seinen Kopf zu spucken, vom Fenster aus, wenn er aus dem Eingangsportal tritt, seine hässliche Aktentasche unter dem Arm und dazu einen Karton mit den persönlichen Sachen aus seinem Fach im Lehrerzimmer, unter Mühen wird er versuchen, alles auf einmal zu seinem spießigen Kombi zu tragen, damit er nicht zweimal gehen muss, nicht noch einmal zurückkehren in unsere Schule, in der er als Pädagoge und Studienrat so was von versagt hat, egal wie hoch er seine Nase getragen hat. So etwas wie Hoffnung keimt in mir auf.
    Â»Erzähl mir jetzt nicht, dass du kneifst«, warnt Annika mich. »Sei endlich mal ein Mann.«
    Ich spüre, wie ich blass werde, verstohlen wische ich meine nassen Handflächen an der Hose ab. Ein Mann. Ein Mann wie Paul. Wie der Typ, mit dem Delia vielleicht längst abhängt.
    Â»Ich frag ein paar von den anderen, ob sie mitmachen«, verspreche ich, ohne selbst daran zu glauben. »Würdest du mir denn beistehen, wenn es hart auf hart kommt? Wenn ich gegen Bollschweiler doch den Kürzeren ziehe und er mich dann erst recht schikaniert?«
    Annika zieht ihre Hand aus meiner und räumt unser beider Pappgeschirr auf dem Tablett zusammen.
    Â»Tu erst mal was«, sagt sie und steht auf. »Dann sehen wir weiter.«
    Aber ich spüre selbst, wie schwach ich rüberkomme, als ich drei Tage später endlich wage, Simon und Paul anzusprechen. Ich

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