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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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einem losen Spruch vom Tisch fegen will. Er meint es nicht böse, es ist eben Paul, der nur die ungetrübten Seiten des Lebens kennengelernt hat. Er hätte es verdient, dass ich zusage. Aber in mir ist nur diese undurchdringliche graue Watte, die jedes Gefühl abfängt..
    Â»Mach das.« Er nickt mir zu und scannt den Raum nach einem freien Tisch. Ein paar Neuntklässler, die am Fenster sitzen, stehen hektisch auf, als er sich wortlos vor ihnen aufbaut. Mit einem erleichterten Seufzer lässt er sich auf den ersten frei gewordenen Stuhl fallen und grinst mich noch einmal an, ehe er sein Handy aus der Hosentasche zieht, um seine Mails zu checken. Ich trinke meinen Cappuccino aus, danach stehe ich bald wieder auf und sage, ich müsse noch etwas erledigen. Paul nickt, ohne von seinem Display aufzublicken. Wenn ich nicht mit ihm verreise, wird er jemand anderes fragen oder neue Pläne machen.
    Im Auto lasse ich die Scheiben heruntergekurbelt. Der Duft von Flieder hängt in den Straßen, vor prachtvoll sanierten Altbauten und in Villenvorgärten steht er in voller Blüte, unwillkürlich muss ich an Delia denken. Flieder passt zu ihr, sie ist wie der üppige, verschwenderische Duft dieses Blütenstrauches, so voller Leben, eine Pflanze, die eine Zeit lang alles gibt, ich will nicht daran denken, wie schnell er verblüht, nicht daran, wie kurz unsere Liebe in ihrer Heftigkeit war.
    Wie von selbst steuere ich mein Auto zu ihrer Gärtnerei. Unter einer alten Platane an der gegenüberliegenden Straßenseite bleibe ich stehen. Mein Herz hämmert bis in meine Halsschlagader, meine Schläfen, ich spüre, dass ich Kopfschmerzen bekomme. Kopfschmerzen vor Sehnsucht nach ihr, vor Liebeskummer, vor Angst, sie könnte mich entdecken. Jetzt, wo Delia zum Greifen nah erscheint, ich nur aussteigen und zu ihr in den Laden gehen müsste, scheint sich ein Eisenring um meinen Schädel zu legen. Früher war sie es, die ihn lösen konnte.
    Es könnte wieder so sein. Die Ladentür steht offen, dahinter nehme ich eine Bewegung wahr, im nächsten Augenblick tritt sie heraus, zwei schwere Gießkannen in der Hand, natürlich, bei der verschwenderischen Maihitze jetzt muss sie die Blumen und Pflanzen oft wässern. Aber doch nicht mittags, fährt es mir durch den Kopf. Mittags gießt man keine Blumen, weil sie verbrennen könnten, sobald die Wassertropfen zu winzigen Brenngläsern werden. Schon als Kind habe ich das gewusst. Hat Delia keine Ahnung? Oder ist sie ebenso verwirrt wie ich, seit wir uns nicht mehr sehen? Weil wir uns nicht mehr sehen? Ich steige aus.
    Das Geräusch der zuschlagenden Wagentür lässt Delia in ihrer Bewegung innehalten. Mir wird beinahe schwindlig, so vertraut ist mir der Anblick ihres Gesichts, selbst aus der Entfernung. Sie kennt meinen Wagen, erkennt mich. Stellt ihre Gießkanne ab, eilt zum Straßenrand, blickt nach links und rechts, kommt herüber, geht um den Wagen herum und rutscht auf den Beifahrersitz. Ich habe das Gefühl, fast den Verstand zu verlieren, weil sie jetzt plötzlich hier ist, neben mir, so nah und doch unerreichbar, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Wir haben uns lange nicht gesehen.
    Â»Du trägst einen Anzug«, stellt sie fest, ohne zu lächeln. Ich blicke an mir herunter, mir fällt auf, wie schmuddelig er wirkt, seit mehr als einer Woche habe ich ihn jeden Tag an, der Stoff ist zerknittert, Staub und Schuppen haften an ihm, zum Glück sieht Delia nicht die lehmigen Spuren des ausgehobenen Grabes an meinem Rücken.
    Â»Ach der«, winke ich ab. »Den hab ich jetzt fast immer an. Ist mal was anderes als immer Jeans.«
    Aber Delias Blick verrät, dass meine Antwort sie nicht zufriedenstellt. Sie ahnt mehr, weiß mehr. Weiß, was ein Anzug bedeuten kann. Nicht muss, aber sie kennt mich. Niemanden habe ich jemals so tief in mein Inneres blicken lassen wie sie. Aber was hat es gebracht, außer mich noch verletzlicher zu machen?
    Â»Du warst lange nicht hier«, bemerkt sie.
    Â»Zu viel Stress in der Schule, du weißt ja, wo es da bei mir hakt.«
    Â»Das ist nicht alles«, beharrt sie.
    Â»Es ist auch das mit uns«, gebe ich zu. »Nur Freunde bleiben – ich weiß nicht, ob ich das packe.«
    Â»Freunde bleiben ist kein NUR. Wir sind füreinander ganz wichtige Menschen gewesen, und das können wir immer sein. Ich freu mich, wenn du herkommst. Du

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