Dann mach ich eben Schluss
ihren hohen Schuhen, es könnte sein, dass es nicht allzu schwer wäre, sie zum Gehen zu überreden. Ich möchte schlafen, mich tief unter meiner Bettdecke vergraben und dieses Dröhnen im Kopf, das Stampfen der Musik und den schneidenden Ton meines Vaters langsam abebben lassen und dann einschlafen, nichts mehr denken, nicht einmal mehr träumen, es gibt keine Träume mehr. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Paul ebenfalls zum Ausgang geht, dann muss ich nur noch Natalie finden, aber erst mal kläre ich das mit den beiden.
Mein Auto. Ich brauche eine Weile, ehe ich es gefunden habe, die StraÃen und Plätze ringsum waren schon zugeparkt, als wir angekommen sind. Ich habe vergessen, wo es steht, weil ich die ganze Fahrt über noch so aufgebracht war. Die ganze HauptverkehrsstraÃe tigere ich entlang und auch ein paar NebenstraÃen, und dann sehe ich es plötzlich, viel näher am Club, als ich dachte. Mein Auto steht direkt unter einer StraÃenlaterne, die Scheiben sind beschlagen, diese Nacht ist wieder kühler als die Nächte davor, dann passiert das, wenn im Auto geatmet wird.
Ich muss nicht überlegen, warum Annika so lange braucht, um ihre Schminksachen zu holen, sondern reiÃe die hintere Tür auf der Gehsteigseite auf, Annika und Paul fahren auseinander. Beide starren mich an, ertappt.
»Max«, stöÃt Annika hervor.
Paul rückt sein Hemd zurecht, stopft es zurück in seinen Hosenbund. Setzt sich aufrecht hin, weià nicht wie lächerlich er dabei wirkt, seine Augen können kaum noch geradeaus blicken. Der kontrollierte, selbstsichere, korrekte Paul. Traumsohn eines jeden Akademikers.
»Wir fahren«, bestimme ich. »Ihr könnt gleich so sitzen bleiben, ich hole nur schnell meine Schwester.«
»Max, warte«, fleht Annika noch einmal und will mir folgen, doch Paul hält sie zurück.
»Max, du willst doch gar nichts mehr von ihr«, sagt er. Im selben Moment eilt Natalie herbei, ihre flippige Hochsteckfrisur löst sich auf, einzelne Strähnen wehen hinter ihr her, ihre Lederjacke rutscht ihr von einer Schulter.
»Ich habâ dich überall gesucht, Max«, stöÃt sie hervor, dann erfasst sie die Situation mit einem Blick und rutscht auf den Beifahrersitz.
Ich starte den Motor,
»Fahr vorsichtig«, warnt mich Natalie,
Angst in ihrer Stimme wie eine Vorahnung
ganz besonnen parke ich aus und fahre los, äuÃerlich ruhig, gelassen.
Nach ein paar hundert Metern blicke ich in den Rückspiegel, wo Paul und Annika noch immer nebeneinander sitzen, nicht mehr so dicht, sie blicken in verschiedene Richtungen, aber vielleicht
halten sie sich an den Händen und ich spüre wieder
dieses Vibrieren in mir
diese hochkochende Wut, unbezähmbar, mit aller Macht
greife das Lenkrad fester und biege in die LandstraÃe ein
ein Wagen mit Fernlicht kommt mir entgegen und blendet mich, schrilles Lachen dringt aus den heruntergekurbelten Fenstern des anderen Autos zu mir herüber, ein Arm mit dem durchsichtigen Stoff eines Flatterkleides wedelt im Freien.
Der Fahrer beschleunigt und verschwindet im Dunkel
die StraÃe von Bäumen gesäumt
alte, knorrige Bäume â geradezu ideal.
»Pass auf, die Kurve!«, kreischt Natalie
was weiÃt du schon
wenn es drauf ankommt, bist du auch nicht da.
Im Rückspiegel mein Mädchen, an Paul gekrallt, das Gesicht von ihren langen Haaren verborgen
weich und blond
der Vollmond wie eine Leuchte über uns
ich packe das Lenkrad fester, spanne die Beinmuskeln an und trete das Gaspedal durch
wie neulich
Delia und dieser ölige Typ
Annika und Paul
Bollschweiler und mein Vater
meine Malsachen im Karton
vor mir die alte Eiche
»Nein!«, schreien sie alle drei
doch.
Tagebuch von Delia Bauer, 21 Jahre, Maximilians heimliche Liebe
8. April
Heute hatte ich eine Begegnung im Laden, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht, ich weià selbst nicht, warum. Eine Begegnung mit einem Jungen. Er heiÃt Max und war irgendwie süÃ. Ein bisschen jünger als ich, vielleicht 18 oder 19. Volljährig aber auf jeden Fall, denn er kam ohne Begleitung mit dem Auto. Max wollte Balkonblumen für seine Mutter kaufen und stand ganz ratlos vor mir, also habe ich ihn ein bisschen beraten und ihm verschiedene Frühlingsblumen zusammengestellt, die man gut miteinander im Kasten kombinieren kann, verschiedene Höhen und Farben, wie man das eben so macht.
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