Dann mach ich eben Schluss
jetzt wieder, es ist so typisch: Du gönnst mir Pauls Feier nicht, damit ich mich vom Abistress erholen und auf andere Gedanken kommen kann, so wie er selbst es ausgedrückt hat. Oh nein, du nicht! Dir geht es wieder nur um die Etikette. Die AuÃenwirkung. Immer zählt für dich nur dieser oberflächliche Mist! Aber so sind wir nicht, und so werden wir auch nie sein, weder Nati noch ich. Es ist verbrannt, Papa, du bist hier derjenige, der sein Klassenziel verfehlt hat, nicht wir! Du äuÃerst dich nicht mal zu der Eins Minus und der Zwei in meinen anderen Prüfungsfächern. â Komm, Nati, wir müssen los.« Ich nehme meine Schwester beim Arm und ziehe sie mit mir fort.
»Kinder, so geht es doch nicht!«, ruft meine Mutter, natürlich will sie wieder ausgleichen, vermitteln, aber wir gehen einfach weiter, ich habe genug gehört, daran kann sie nichts ändern. Doch als wir schon fast an der Wohnungstür sind, höre ich, wie mein Vater sich räuspert.
»Maximilian?«, fragt er. Ich drehe mich um. Vielleicht kommt es jetzt, das versöhnliche Wort, auf das ich glaube, mein ganzes Leben lag gewartet zu haben. Eine Chance hat er noch. Diese eine.
»Deinen Ausbruch hättest du dir sparen können«, sagt er. »Derartige Vorwürfe verbitte ich mir von dir, und zwar ein für allemal. Ich hoffe, wir haben uns verstanden.«
Ich lasse ihn einfach stehen.
Natalie taucht sofort in der Menge unter, als wir im Crystal Palace ankommen. Der Club ist bereits nahezu überfüllt, lauter Hip-Hop und zuckende Lichtblitze in allen Farben prügeln auf mich ein, am liebsten würde ich sofort wieder gehen. An der Bar bestelle ich mir eine Cola und verdrücke mich in eine Ecke. AuÃer Paul, Annika und den beiden anderen Mädchen scheint der halbe Jahrgang hier versammelt zu sein, natürlich hat Paul sie alle angerufen oder über die sozialen Netzwerke eingeladen. Ab und zu kommt er zu mir gestürmt, von Mal zu Mal betrunkener, nach zwei Stunden schwankt er bereits ein wenig. Ich sehe ihn kaum ohne ein Glas in der Hand: Bier, Sekt, Cocktails. Auch Annika trinkt Sekt, lacht und redet mit den anderen, hin und wieder winkt mir jemand zu, aber sie versuchen nicht, mich auf die Tanzfläche zu lotsen, ich bin nicht mehr einer von ihnen, gehöre nicht zu denen, die Teil dieser Party sind, bin spätestens heute der Loser, der Sonderling, kein Junge, der zu Annika passt, zu diesen Kreisen. Ich bin gefahren, man duldet mich, der Max hat nie jemandem was getan, etwas merkwürdig war er, aber das sind andere auch, ohne dass sie gleich ⦠Nicht so was denken, Max, nicht. Doch. Nein. Nur denken.
Paul tanzt Annika an, sie lacht und ruft ihm irgendetwas zu, er versteht nicht sofort, also beugen sich beide vor, so dass sie ihm ins Ohr schreien kann, was sie zu sagen hat. Sie lachen beide, dann löst sich Paul von Annika und kommt erneut zu mir. Sein Haar ist zerzaust, sein Hemd auf der Brust durchgeschwitzt, die Haut auf seiner Stirn glänzt.
»Alles klar bei dir?«, ruft er. »Eine Wahnsinnsstimmung ist das hier, das ist mein Abend und mein Club, yeah!« Schon ist er wieder verschwunden.
Neben mir wird ein Barhocker frei, beim Hinsetzen merke ich, dass mein Rücken wehtut, aber so halte ich es noch eine Weile aus. Auch ohne Alkohol habe ich das Gefühl, nicht mehr ganz bei mir zu sein, die dröhnende Musik umwabert meinen Kopf und entreiÃt mich meinem Gedankenkarussell, wenigstens das, meine Augenlider werden schwerer, bis ich nicht mehr weiÃ, ob ich überdreht oder müde bin. Es können Minuten oder auch Stunden vergangen sein, ehe plötzlich Annika vor mir steht.
»Ich brauch den Autoschlüssel«, sagt sie in den Krach hinein und streckt die Hand aus. Ich fühle den Schlüsselbund in der Tasche meiner Anzughose, klimpere damit, das hört sie nicht.
»Wozu?«, will ich wissen.
»Meine Kosmetiktasche«, erklärt sie. »Auf der Fahrt habe ich mir die Lippen nachgezogen und sie dann auf dem Rücksitz liegen lassen. Jetzt brauche ich sie.«
Ihre Lippen. Die Farbe ist ab. Ich gebe ihr den Schlüssel, sie schenkt mir ein abwesendes Lächeln und steuert den Ausgang an. Mit meinen Augen suche ich die Tanzfläche nach Paul ab. Wenn Annika jetzt drauÃen ist, muss sie hinterher erst wieder in die ausgelassene Feierstimmung zurückfinden, vielleicht merkt sie, dass ihr die FüÃe wehtun in
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