Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
Vom Netzwerk:
hoffte ich, es wäre seins. Habe nachgerechnet, wie lange er allerhöchstens in der Schule sein kann und überlegt, ob er wohl zuerst lernt und Hausaufgaben macht oder gleich zu mir kommt. Aber es wurde immer später, und schließlich habe ich kaum noch daran geglaubt, dass er es wirklich ernst gemeint hat, als er gestern so inbrünstig versicherte, mir unbedingt wieder helfen zu wollen. Vergiss ihn, Delia, habe ich mich selbst beschworen; denk nicht länger an ihn, bis gestern hast du nicht mal gewusst, dass es ihn gibt, also wird dein Leben auch weitergehen, wenn alles, was zwischen uns war und was er gesagt hat, nur eine flüchtige Begegnung war, eine Laune, das kurze Aufflackern eines Gefühls von Vertrauen, das nicht echt sein kann, weil wir uns überhaupt nicht kennen, nichts voneinander wissen. Max hat Balkonblumen gekauft und wollte eine Quittung für das Finanzamt, das war alles, sagte ich zu mir selbst.
    Aber dann, als es mir schon fast gelungen war, nicht allzu enttäuscht und traurig zu sein, stand er plötzlich da. Sofort erkannte ich, dass etwas passiert sein musste, denn Max war völlig aufgelöst, er hatte geweint, das konnte ich an seinen feuchten Wimpern erkennen. An den Händen blutete er, und obwohl er wieder mit seinem Auto gekommen war, war er völlig durchnässt, also musste er längere Zeit draußen im Regen unterwegs gewesen sein, bevor er sich auf den Weg machte. Ich holte ihn rein, versorgte erst mal seine aufgeschrammten Handkanten und kochte Tee, damit er wieder runterkam. Dass er geweint hatte, war Max so peinlich, tausend Mal entschuldigte er sich. Erst als ich ihm sagte, ich fände Jungs, die Gefühle zeigen besser als unnahbare Eisklötze, fing er an sich zu entspannen.
    Und dann erzählte er. Je länger er redete, desto mehr wurde mir klar, dass ich mit meiner Vermutung, Max sei irgendwie unglücklich, gar nicht so verkehrt lag, jedenfalls möchte ich nicht mit ihm tauschen. Er steckt gerade mitten in den schriftlichen Abiprüfungen, und als ob das nicht schon stressig genug wäre, gängelt ihn sein Vater auch noch ständig, indem er immer meint, Max würde nicht genug für die Schule tun. Immerzu stellt der Vater Max’ Freund Paul als Vorbild dar, der in allem immer ein wenig besser ist als er, und Max soll um jeden Preis auch so werden wie dieser Paul. Was für ein Schwachsinn! Es sind doch nicht alle Menschen gleich, Max ist nun mal kein Mathe-Crack, dafür hat er ganz andere Qualitäten und Begabungen, aber die scheinen den hohen Herrn nicht zu interessieren.
    Komisch, dass ausgerechnet sein Mathelehrer ein ganz Toller sein muss. Wenn ich da an meinen früher denke … der schien es immer persönlich zu nehmen, wenn einer seine Erklärungen nicht auf Anhieb kapierte und konnte dann richtig sauer werden. Aber Max’ Lehrer versucht immer wieder, ihn aufzubauen. Neulich hatte er ein Gespräch mit seinem Vater, und der will ihm eine Dienstaufsichtsbeschwerde anhängen, weil Max bei ihm keine bessere Note als höchstens eine Drei Minus bekommen kann, eher schlechter. Max selber sagt, die Note sei gerechtfertigt, aber für den Vater liegt es natürlich am Lehrer. Solche Eltern habe ich echt gefressen!
    Max zeichnet lieber. Habe ich nicht gleich gesagt, dass er Künstlerhände hat? Ich würde so gern einmal eines seiner Bilder sehen, aber danach frage ich ihn besser beim nächsten Mal, wenn sich alles um ihn etwas beruhigt hat. Erst mal habe ich ihm einfach nur zugehört, damit er sich mal alles von der Seele reden kann. Ich glaube, es tat ihm ganz gut; als er fertig war, wirkte er richtig gelöst, als hätte er nach einem langen, anstrengenden Tag in der warmen Badewanne entspannt. Aber er entschuldigte sich wieder dauernd und vergewisserte sich x-mal, ob er mich nicht nerve. Dabei habe ich es so genossen, dass er da war. Alles war so vertraut, obwohl es ja erst das zweite Mal war, dass wir uns gesehen haben. Wir mussten gar nicht mehr viel reden, nachdem Max alles gesagt hatte, sondern saßen einfach nur dicht nebeneinander, ganz still, und ich glaube, er hat es genauso genossen wie ich. Eine solche Nähe habe ich nicht einmal zu Dario empfunden, glaube ich – nicht mal ganz am Anfang, als wir frisch zusammen waren. Ob es so was wie Seelenverwandtschaft wirklich gibt?
    Mit der Zeit merkte ich aber doch, dass Max sich unbehaglich fühlte, weil er so viel von sich

Weitere Kostenlose Bücher