Dann mach ich eben Schluss
ja, feige bist du, weiÃt du das? Du bist überhaupt kein Mann! Schon mit deinem Vater, dem hättest du die Stirn bieten sollen statt nur den Schwanz einzuziehen und zu kuschen, aber nein, lieber rast du in den Tod, merkst du nicht selber, wie dämlich das ist? Du bist so ein Idiot, Max. So einen hirnverbrannten Idioten gibt es kein zweites Mal. Schon Annikas wegen. Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Seit Monaten liebe ich sie, aber statt einfach zuzugreifen, wo du dich kaum noch mit ihr abgegeben hast, habe ich mich damit begnügt, ihr ein guter Freund zu sein, nicht mehr und nicht weniger. Warum hast du nicht Schluss gemacht mit ihr? Ich sagâs dir, Max: Weil du ein Egoist bist, deshalb. Du denkst nur an dich, es ist dir egal, was andere durchmachen. Und jetzt, jetzt wo du dich einfach verpisst hast, stehe ich erst recht da, mit meinen Gefühlen für sie. Wenn ich jetzt versuche, an sie ranzukommen, bin ich erst recht der miese Typ, der vor nichts zurückschreckt, der sich die Braut seines besten Kumpels greift, kaum dass du kalt geworden bist unter der Erde.
Du antwortest nicht. â Wie immer, denkt Paul. Und jetzt schüttelt ihn sein Zorn so, dass er ihm Tränen in die Augen treibt. Unter groÃer Anstrengung stützt er sich mit den Händen auf die Armlehnen seines Rollstuhls und stemmt sich hoch, schleppt sich zum Kreuz und hämmert mit den Fäusten dagegen, so fest, dass es sich neigt, am liebsten möchte er es herausreiÃen, schreit, weint. Aus dem Augenwinkel sieht er, dass Annika sich erschrocken umdreht und zu ihm zurückgeeilt kommt, doch er ist noch nicht fertig, jetzt bückt er sich und fegt mit den Händen ein Blumengebinde fort, das ansprechend drapiert zu seinen FüÃen gelegen hat, wühlt mit dem Fuà die Erde auf, trampelt auf langstieligen Rosen herum, reiÃt Margeriten mitsamt ihren Wurzeln heraus, jetzt gibt es kein Halten mehr, er verwüstet das Grab, spürt seinen Hüftschmerz bei jeder Bewegung und hört dennoch nicht auf, bis er sich schlieÃlich auf die nasse, dunkle Erde wirft, mitten in das Chaos, das er angerichtet hat. Du hast alles verdorben, Max. Du fehlst mir.
Annika kommt langsam heran und richtet das Kreuz wieder auf. Danach beugt sie sich schweigend über ihn. Paul spürt Tränen sein Gesicht hinunterlaufen und ihre Hand auf seiner Schulter.
»Wir müssen gehen«, sagt sie leise. »Komm, Paul.«
Als sie wieder im Krankenhaus sind und Annika den Fahrstuhlknopf zu der Etage gedrückt hat, wo Pauls Bett steht, bedankt er sich bei ihr.
»Du hast noch zehn Minuten Zeit«, sagt sie.
»Kommst du noch mit rauf?«, fragt er. Annika schüttelt den Kopf. Der Fahrstuhl kommt, ein paar Patienten und Pfleger steigen aus, eine Besucherin mit Blumenstrauà in der Hand sieht Paul und Annika fragend an, als sie den Schlamm an seiner Kleidung bemerkt. Die automatische Tür des Fahrstuhls schlieÃt sich, Paul verfolgt die Leuchtziffern darüber, die verkünden, in welcher Etage er sich gerade befindet. Er hofft, dass ihn keine Krankenschwester so sieht, geschweige denn ein Arzt.
»Ich helf dir noch beim Umziehen«, bietet Annika ihm an. Paul spürt, wie sich sein Puls beschleunigt. Vielleicht hat sie gemerkt, wie sehr uns die Sache mit Max zusammengeschweiÃt hat, überlegt er. Vielleicht gesteht sie sich ihre Gefühle ein, weil sie genau wie ich spürt, dass es keinen Sinn hat, sich länger etwas vorzumachen. Wir müssen nicht übereinander herfallen wie ein Pärchen in den Flitterwochen. Es genügt, füreinander da zu sein. Sie werden noch lange an Max denken, und auch das Gefühl von Schuld lässt sich nicht einfach abschütteln. Aber Annika und er sind sich nah, näher als noch vor ein paar Wochen. Es lässt sich nicht leugnen.
Ãber den Flur in der dritten Etage rollt er selbstständig, sie öffnet ihm die Zimmertür. Paul erschrickt ein wenig, als er sieht, dass das Kaffeegedeck für ihn schon bereit steht; dennoch scheint niemand misstrauisch geworden zu sein. Einen der beiden Florentiner bietet er Annika an und zieht sich seinen Sweater über den Kopf, bindet die Schuhe auf. Sie lehnt dankend ab.
»Vorhin hatte ich angefangen, dir zu erzählen, was ich mir mit Johanna überlegt habe«, erinnert sie ihn, geht zum Waschbecken und wirft ihm ein Handtuch zu, damit er sich die Haare trocken rubbeln kann. Paul spürt, wie gut
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