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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Fehér
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es tut, wieder im Zimmer zu sein, auf einmal empfindet er hier eine eigentümliche Art von Heimatgefühl.
    Â»Ich kann nicht mehr«, fährt Annika fort. »Seit Max tot ist, bin ich nicht mehr die, die ich mal war, ich habe mich verändert. Die vielen Grübeleien machen mich kaputt. Es ist der größte Horror für mich, mir vorzustellen, ich gehe nach den Sommerferien in die Schule zurück. Dorthin, wo zwischen Max und mir alles angefangen hat und doch so vieles schiefgelaufen ist. Und ich will nicht so enden wie er, eingeschränkt und kaum ein Viertel der eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft. Nur am Leben nippen statt es wirklich zu leben. Wenn Max schon gescheitert ist, dann will ich meines wenigstens anpacken. In vollen Zügen.«
    Sie klingt so, wie Max sie sich immer gewünscht hat. So hätte sie ihn fasziniert. Wenn Annika diese Seiten früher an sich entdeckt hätte, hätte es zwischen Max und Annika richtig was werden können. Dann könnte Max noch leben.
    Â»Find ich gut«, sagt er nach sekundenlangem Schweigen. »Vielleicht bin ich auch irgendwann so weit.« Er streckt seine Hand aus und will nach ihrer greifen, doch sie weicht einen Schritt zurück.
    Â»Weil ich nicht in unsere Schule zurück kann, werde ich die elfte Klasse wiederholen«, verkündet sie. »Aber nicht hier. In knapp zwei Wochen geht es hier wieder los, aber dann stecke ich schon mitten in den Vorbereitungen: Anfang Oktober gehe ich für ein Jahr in die USA. Meine Eltern unterstützen mich darin und sind dabei, alles in die Wege zu leiten.«
    Paul schluckt. »Packst du das denn gesundheitlich?«
    Â»Seit ich den Entschluss gefasst habe, erhole ich mich schneller und besser«, erklärt Annika. »Natürlich werde ich kurz vorher noch einmal gründlich untersucht, aber die Kopfverletzung heilt gut, und die Rippenbrüche sind bis dahin auch Geschichte. Was bleibt, sind die schlimmen Erinnerungen. Ich will mich davon nicht unterkriegen lassen.«
    Â»Schon klar.« Paul blickt zu Boden.
    Â»Vorher sehen wir uns noch ein paar Mal«, lenkt sie ein. »Aber das zwischen uns … es ist nicht das, was es vielleicht beinahe geworden wäre. Sei nicht böse.« Sie beugt sich zu ihm hinunter und umarmt ihn, nicht mehr so flüchtig wie noch vor ein paar Tagen.
    Â»Bin ich nicht«, versichert Paul. »Ich versteh schon.« Dennoch spürt er, wie ihm ein Kloß im Hals fast den Atem nimmt.
    Â»Gib mir deine Sachen mit«, sagt Annika und bedeutet ihm mit einer Handbewegung, auch die verdreckte Hose auszuziehen. »Die muss niemand sehen, ich bringe sie dir demnächst frisch gewaschen zurück.«
    Nachdem er sich trockene Sachen angezogen hat, verabschiedet sie sich. Als sie die Tür des Krankenzimmers hinter sich geschlossen hat, trinkt er seinen Kaffee aus. Die Kekse lässt auch er stehen. Er rollt zu seinem Bett, zieht die Schuhe aus und legt sich hin.
    Bei null anfangen, denkt er. Ganz von vorn und nun also auch noch ohne Annika. Max, Max. Eine Weile liegt er nur auf dem Rücken und starrt die Decke an. Lässt nach den Keksen auch sein Abendbrot stehen. Redet wie mechanisch mit den Eltern, zum Glück spüren sie, dass er nicht anders kann und gehen bald wieder. Erst als draußen die Dämmerung hereinbricht, schaltet Paul seinen Tablet-PC ein und ruft Facebook auf.
    Eine Nachricht ist eingegangen. Die erste, abgesehen von den Geburtstagsglückwünschen.
    Eine Nachricht von Simon.

Maximilian
    Drei Monate vorher
    1.
    Hinter mir knarren die Schritte meines Vaters über den Parkettboden. Langsam, gleichmäßig, dann hält er inne, atmet, geht wieder weiter. Seit mehr als einer Stunde schon tigert er auf und ab, auf und ab, wortlos, von einer Wand zur anderen, er zieht die Schublade unseres antiken Vertikos auf und macht sie wieder zu, atmet, räuspert sich, er macht mich wahnsinnig, warum kann er sich nicht einfach auf die Couch setzen und ein Buch lesen oder selber was am Laptop machen, wenn er schon unbedingt überwachen muss, wie lange ich sitze und für die nächste Matheklausur pauke?
    Viel lieber wäre ich dabei allein in meinem Zimmer, aber das würde er nicht dulden. Die weiß gestrichene Doppelschiebetür, die unser Esszimmer vom Wohnzimmer trennt, ist weit geöffnet, so kann er mich von jedem Winkel aus beobachten, keine meiner Bewegungen entgeht ihm. Er sieht, ob ich etwas

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