Dann muss es Liebe sein
alles.«
»Sie klingen genau wie Izzy.« Er grinst, als ich nach einem Papiertuch greife, um das Wasser aufzuwischen.
»Ich hoffe, Shannon hat nicht vor, alles hinzuschmeißen, weil sie plötzlich der Drang überkommt, die Welt kennenzulernen.« Ich sehe, wie sich die Muskeln an Drews Unterarm anspannen, als er sich am nächsten Zahn zu schaffen macht, und denke bei mir, dass der Versuch, etwas aus ihm herauszubekommen, durchaus mit Zähneziehen vergleichbar ist.
»Erst wenn man die Welt gesehen hat, weiß man zu schätzen, was man zu Hause hat.« Drew wischt die Zange sauber und sieht mich über den Rand seiner Maske hinweg an.
»Mhm«, erwidere ich. »Ich nehme an, Sie vermissen Ihre Verlobte.«
Drew versucht gar nicht erst zu leugnen.
»Shannon glaubt noch immer, Sie seien ungebunden«, fahre ich fort.
»Ich weiß, das klingt ein bisschen schäbig, aber die Leute sind einfach offener, freundlicher zu einem, wenn sie glauben, man wäre Single und allein unterwegs«, antwortet Drew.
Das kann ich nachvollziehen, allerdings verstehe ich nicht, wie man echte, dauerhafte Freundschaften schließen will, wenn man einen Teil seiner selbst versteckt. Das ist doch ein doppelter Betrug.
Drew poliert die wenigen Zähne, die Sandy noch geblieben sind, und der angenehm minzige Duft von Prophylaxepaste verdrängt den Gestank von Eiter und fauligem Zahnfleisch.
»Sie ist mit der Kleinen zu Hause geblieben«, erklärt er schließlich. »Wir haben eine Tochter, Bianca, sie ist drei.«
»Wie konnten Sie nur?«, platzt es aus mir heraus. Seine Verlobte muss der reinste Fußabtreter sein. »Ich kenne nicht viele Frauen – nein, ich kenne keine einzige Frau, die sich das gefallen lassen würde.«
»Janice sollte eigentlich nach einem halben Jahr mit Bianca nachkommen, doch ihre Mutter hatte einen Herzinfarkt und musste ins Krankenhaus. Sie sagte, sie könne sie nicht allein lassen.«
Ich starre ihn an. Frances hatte recht: Drew war einfach zu gut, um wahr zu sein. Außerdem wundert mich, dass er bisher kein einziges Wort über sein Kind verloren hat, aber vielleicht ist er auch nicht aus freien Stücken Vater geworden.
»Sehen Sie mich nicht so an, Maz«, sagt er. »Ich werde Shannon von ihrem Elend erlösen, versprochen.«
»Ja, das sollten Sie schleunigst tun«, entgegne ich. Ihr zu gestehen, dass er nicht nur eine Verlobte, sondern auch noch ein Kind hat, wird sie hingegen nicht von ihrem Elend erlösen. Es wird alles nur noch schlimmer machen.
Ich lasse Sandys Zähne in verdünntes Wasserstoffperoxid fallen (was normalerweise Izzys Aufgabe ist), wo sie sich sprudelnd weiß färben, und lege sie in ein Döschen, um sie Sandys Besitzer zu zeigen. Mir kommt der Gedanke, dass es die ganze Zeit so sein wird, wenn Izzy auf ihrer Hochzeitsreise ist, und ich frage mich, wie wir das bloß schaffen sollen.
Ich lege Sandy gerade in einen Käfig, wo sie ihre Narkose ausschlafen soll, als Shannon mit Sieben auf dem Arm hereinkommt. Er ist jetzt sechs oder sieben Wochen alt und sieht aus wie ein großer, flauschiger Ball.
»Was macht er denn hier?« Emma und ich haben es uns zur Regel gemacht, keine Personalhaustiere in der Praxis zu dulden, denn wir haben beide schon in Praxen gearbeitet, wo mehr Hunde von Tierärzten herumliefen als Patienten.
»Daisy hat ihn angegriffen – er blutet.« Shannon fährt mit den Fingern durch das Fell an seinem Nacken und sucht nach der Stelle, um sie mir zu zeigen. Sie ist den Tränen nahe, und ausnahmsweise bin ich Drew dankbar, als er zu uns herüberkommt und ihr tröstend eine Hand auf die Schulter legt.
»Dann lass mich mal sehen.« Ich nehme ihn ihr ab, woraufhin er meine Nase leckt und auf meine Plastikschürze pinkelt.
Drew hält ihn fest, während ich die Wunde untersuche. Es ist ein hässlicher Riss in der Haut, der schon zu nässen begonnen hat. Ich säubere ihn und setze Sieben unverzüglich auf Antibiotika.
»Der ist ja ein richtiger kleiner Grinsebär«, meint Drew.
»Werden Sie seine Hasenscharte richten, Maz?«, fragt Shannon.
»Nur wenn sie ihm Probleme macht«, antworte ich, während Sieben in die Höhe hüpft und gegen Drews Gesicht knallt. »Sieben kümmert es nicht, wie er aussieht.«
»Aber mich.« Drew hält sich eine Hand vors Auge.
»Warte.« Halb lachend, halb mitleidig verschwindet Shannon durch die Tür und kommt mit einem Beutel gefrorener Erbsen zurück.
»Hey, das sind meine«, protestiere ich.
»Ich weiß. Tut mir leid. Ich besorge Ihnen neue.« Shannon
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