Dann muss es Liebe sein
Fox-Gifford. »Sie sehen aus, als könnten Sie etwas mehr Fleisch auf den Rippen vertragen.« Er hebt seinen Stock und winkt eine Kellnerin heran, die mit einem Tablett voller mit Petersilie garnierter Vol-au-vents näher kommt. Ziemlich retro, denke ich, passend zu seinen Ansichten.
»Ach herrje. Ich habe völlig vergessen, dass Sie Ve-ge-ta-rier sind. Da werden Sie heute Abend wohl hungrig bleiben müssen.« Er nimmt ein Vol-au-vent, beißt hinein und gibt die andere Hälfte dem sabbernden Labrador. »Wie ich höre, ziehen Sie den armen Talytoner Tierhaltern noch immer mit ihrem völlig überteuerten Fertigfutter das Geld aus der Tasche …«
»Entschuldigung«, falle ich ihm ins Wort, »aber wir tun nichts dergleichen. Wir verlangen absolut realistische Preise, und unseren gesamten Verdienst stecken wir wieder in die Praxis, um neue Ausstattung zu kaufen und den Leuten einen besseren Service bieten zu können. Die Zeiten haben sich geändert. Wir schmecken nicht mehr an Urinproben, um herauszufinden, ob ein Tier Diabetes hat, und Äther hat mittlerweile auch ausgedient.«
Der alte Fox-Gifford erkennt die Ironie nicht.
»Was wollen Sie damit andeuten?«, knurrt er wütend.
»Madge will überhaupt nichts andeuten«, entgegnet Sophia ruhig. »Sie sagt lediglich, dass wir uns alle weiterentwickelt haben. Alexander spricht auch davon, ein neues Röntgengerät zu kaufen.«
»Was stimmt denn mit dem alten nicht?«
»Und das EKG -Gerät ist kaputt«, fährt Sophia fort.
»Ich brauche meine Patienten nicht an alle möglichen piepsenden Maschinen anzuschließen, um zu erkennen, ob sie tot oder lebendig sind.«
»Aber Sie wollen doch sicher auch nur das Beste für Ihre eigenen Haustiere«, kontere ich, während der alte Labrador seinen Kopf wieder zwischen meine Beine drängt.
»Das sind Jagdhunde, keine Schoßtierchen«, brüstet sich der alte Fox-Gifford. »Die bekommen frisches Fleisch und Knochen und dazu eine Handvoll Getreideflocken. Und wenn sie krank werden oder sich verletzen, ziehen wir das Ganze nicht unnötig in die Länge, probieren alles Mögliche aus und verschleudern dafür ein halbes Vermögen. Eine Injektion mit Lethabarb oder Euthesate, je nachdem, was gerade billiger ist, und das war’s.«
»Würdest du bitte endlich diesen Hund zurückrufen, Fox-Gifford«, fordert ihn Sophia auf, während ich mich frage, wie um Himmels willen ein derart herzloser Mensch Tierarzt werden konnte.
Der alte Fox-Gifford stupst den Labrador mit der Spitze seines Stocks an.
»Hal will doch nur nett sein«, sagt er. »Er mag Sie, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wieso.« Dann lächelt er. »Wahrscheinlich riechen Sie nach Hund.«
Sogar Sophia wirkt jetzt peinlich berührt.
»Kommen Sie, Madge, lassen Sie uns schauen, ob wir Alexander irgendwo finden.« Sie sieht an mir vorbei zu einem der beiden abgewetzten Sofas, und ihr bewundernder Ausdruck erinnert mich an den einer Kuh, die zum ersten Mal ihr neugeborenes Kalb erblickt. »Oh, da ist er ja. Mit Delphi. Kennen Sie Delphi Letherington schon? Nein, Sie können unmöglich bereits allen Freunden von Alexander begegnet sein. Delphi ist eine wunderbare Reiterin, unglaublich talentiert. Sie leitet das Reitsportzentrum an der Straße nach Talysands.«
Beim Anblick von Alex, der in Hemd und Krawatte, die Beine ausgestreckt, einen Arm auf die Rückenlehne gelegt, auf dem Sofa sitzt und sich lachend mit einer langbeinigen Blondine unterhält, wird mir ein wenig übel. Ich versuche krampfhaft, mir nichts anmerken zu lassen, doch Sophia lächelt, als wollte sie sagen: »Ich hab’s trotzdem gesehen.«
»Sind die beiden nicht ein wunderschönes Paar?«, fragt sie stattdessen und legt den Finger erbarmungslos in die Wunde. »Delphis Mutter war völlig verzweifelt, als sie geheiratet hat. Noch am Tag der Hochzeit hat sie mich angefleht, ein letztes Mal zu versuchen, das Mädchen zur Vernunft zu bringen, aber es wollte einfach nicht hören.« Sie schüttelt den Kopf. »Das dumme Ding. Hat doch tatsächlich diesen abscheulichen Mann geheiratet. Später hat Delphi es natürlich bereut. Er war ihr Hufschmied, und es stellte sich heraus, dass er mehr als ein Pferd beschlug, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Ich schließe daraus, dass Delphi – die ein mit Rüschen und Volants besetztes Abendkleid aus fliederfarbenem Satin trägt (man stelle sich Laura Ashley aus den Achtzigern vor) – inzwischen nicht mehr verheiratet ist und Sophia sich nichts sehnlicher wünscht,
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