Dann muss es Liebe sein
beinahe zu Tode, während Drew zu mir herüberschaut und mich entspannt anlächelt.
»Shannon hat noch nie einen Herzschlag gehört.«
»Schon gut. Lassen Sie sich von mir nicht stören«, sage ich. Trotzdem bleibe ich als Anstandswauwau im Zimmer und schiebe die Packungen mit Impfstoff im Kühlschrank hin und her. Ich freue mich ja, dass Shannon endlich etwas Interesse für ihren Beruf entwickelt, aber ich kann nicht behaupten, dass ich von Drews Unterrichtsmethoden begeistert wäre. Sie sind viel zu praxisnah und zupackend.
»Und, wie ist er so?«, fragt Alex, als ich später im Herrenhaus vorbeischaue. Er ist im Stall bei Liberty und bringt sie ins Bett, was bedeutet, dass er ein frisches Heunetz aufhängt, ihre Pferdedecke wechselt und ihr ein paar Minzbonbons gibt. »Ganz Talyton spricht davon, dass ihr eine Art Sexgott eingestellt habt.«
»Du bist genauso schlimm wie Frances«, erwidere ich streng. »Du gibst zu viel auf das Gerede der Leute.«
»Stewart sagt, Lynsey liest ihm jeden Wunsch von den Augen ab – morgens bekommt er ein komplettes englisches Frühstück, für mittags gibt sie ihm ein Lunchpaket inklusive Kuchen mit, und abends kocht sie ein Drei-Gänge-Menü.« Er legt den Kopf auf die Seite. »Muss ich mir Sorgen machen?«
»Er ist nicht mein Typ.« Lächelnd beuge ich mich über die Boxentür. »Die Leute scheinen ihn zu mögen. Ich glaube, er ist gut für uns, ein weiterer Vorzug für das Otter House, würde ich sagen …«, und meine Stimme verklingt, da ich vom Anblick von Alex’ Vorzügen abgelenkt werde, seinen breiten Schultern, den schmalen Hüften und den langen Beinen in der eng anliegenden Reithose. Er streichelt Libertys schimmernden Hals und flüstert ihr liebevoll Schmeicheleien ins Ohr.
»Ich habe eine Entscheidung getroffen«, erzählt er mir unvermittelt. »Ich schicke meine kleine Süße in Rente.«
»Warum das denn?« Ehe Liberty letztes Jahr wegen einer Kolik operiert werden musste, hatte Alex intensiv mit ihr trainieren wollen, um möglicherweise in die engere Auswahl für die britische Springreitnationalmannschaft zu kommen. Ich kann nicht glauben, dass er sein großes Ziel aufgibt. »Ist etwas mit ihr nicht in Ordnung?«
»Sie hat ihren Biss verloren«, antwortet er mit traurigem Blick.
»Ist es nicht noch zu früh, um das zu sagen?« Ich weiß nicht mehr viel über die Behandlung von Pferden, aber es scheint mir doch etwas voreilig zu erwarten, dass sie jetzt schon ihre alte Form wiedergefunden hätte.
»Ich will sie nicht überfordern, und um die Wahrheit zu sagen, ich habe im Moment nicht genug Zeit, um sie wirklich fit zu halten. Nein, Liberty wird sich beruflich umorientieren. Ich will sie stattdessen mit einem Springhengst zusammenbringen.«
»Du meinst, sie soll ein Fohlen bekommen? Wow. Wie aufregend.« Ich stocke. »Aber es dauert doch noch eine Ewigkeit, bis du es reiten kannst.«
»Ich weiß, aber bis dahin kann ich zum Zeitvertreib immer noch mit Liberty ins Gelände gehen.«
Ich erkenne, worauf dieses Gespräch hinausläuft, und wechsle das Thema.
»Gestern hat mich dein Vater am Telefon angebellt. Sein alter Labrador hat angeblich Auroras Pudel vergewaltigt.«
»Hal? Dann steckt in dem alten Kerl also doch noch Leben.« Das Stroh raschelt unter Alex’ Stiefeln, als er zu mir herüberkommt. »Wir haben doch über eine Reitstunde gesprochen, weißt du noch?«
»Ja, ja.« Ich denke an nichts anderes mehr, seit er damit angefangen hat. Und ich kann nicht behaupten, dass ich von der Aussicht begeistert wäre.
»Das müssen wir leider verschieben. Ich hoffe, du bist nicht zu enttäuscht.«
War das jetzt sarkastisch gemeint? Hat er gemerkt, dass ich in Wahrheit gar nicht reiten lernen will und ihm nur etwas vorgemacht habe?
Alex schnippt vor meinem Gesicht mit den Fingern.
»Erde an Maz, Erde an Maz, bitte kommen.«
»Äh … was hast du gerade gesagt?«, stottere ich.
»Die Reitstunde. Die müssen wir leider verschieben.«
»Ach ja, wie schade.«
Ich bemühe mich, enttäuscht auszusehen, als er fortfährt: »Vater hat wieder Probleme mit dem Ischias. Mutter musste die ganzen Routinebesuche aufs Wochenende verschieben.« Alex drückt gegen die Boxentür, doch ich lasse ihn nicht heraus.
»Glaubst du, du wirst es jemals schaffen, etwas kürzerzutreten?«, frage ich. Ich weiß, das klingt nörgelig, und ich habe Angst, ihn abzuschrecken, aber ich kann nicht anders: Manchmal ärgere ich mich eben darüber, dass er nicht mehr Zeit für mich
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