Dann muss es Liebe sein
war’s«, sagt Alex ruhig und zieht die Kanüle heraus.
Ich dränge meine Tränen zurück und nehme ihr das Halsband und die Leine ab, die um ihre Schnauze gebunden ist, während Alex seine Ausrüstung zusammenpackt. Er streckt eine Hand aus und legt sie kurz auf meine Schulter.
»Sie war ein wunderschönes Tier.« Seine Stimme klingt ein wenig rau. »Eine Schande, dass der Charakter nicht dazu gepasst hat.«
»Ich hätte das schon viel früher tun sollen. Ich hätte sie niemals weitervermitteln dürfen.«
»Das konntest du ja nicht wissen. Du bist ein kalkuliertes Risiko eingegangen. Nein, an dem, was heute passiert ist, hat niemand Schuld außer Petra selbst.« Alex hält kurz inne. »Du gehörst doch nicht etwa zu den Menschen, die glauben, dass kein Hund von Natur aus böse ist? Du weißt schon: Es gibt keine schlechten Hunde, nur schlechte Besitzer. Glaub mir, ich bin lange genug Tierarzt, um zu wissen, dass das nicht stimmt. Man kann nicht immer die Besitzer für das Verhalten ihrer Hunde verantwortlich machen. Ich bin davon überzeugt, dass es bösartige Hunde gibt, genauso wie es auch bösartige Menschen gibt, und manche von ihnen werden bereits so geboren.« Er steht auf und holt den schwarzen Sack, und gemeinsam schieben wir die tote Hündin hinein. »Und selbst wenn es nicht stimmen sollte, ist es dennoch ein tröstlicher Gedanke für meine Kunden, wenn sie in diese Lage kommen.«
»Vielleicht lag es ja daran, wie sie aufgezogen wurde«, beharre ich. »Petra hatte keinen guten Start ins Leben.«
»Trotzdem ist jeder selbst verantwortlich für das, was er tut«, entgegnet Alex, und ich glaube nicht, dass er noch immer von Hunden spricht. Er lächelt, und mir ist nicht mehr ganz so schwer ums Herz. »Du kannst nicht alles auf deine Kindheit schieben – auch wenn dir das ganz gelegen käme.«
14
Hundertundein Labradoodle
Emma ist zurück und fegt wie ein effizienter, hoch motivierter Wirbelwind durchs Otter House. Ich nehme an, das ist nur eine Phase, ihre Art, mit dem Vorgefallenen fertig zu werden, dennoch wünschte ich, sie würde mit mir über den Verlust ihres Babys reden. Ich habe das Gefühl, wir sollten uns endlich einmal aussprechen, aber ich finde einfach keinen Weg, das Gespräch darauf zu bringen.
Heute Morgen habe ich als Erstes Snowy, die grippekranke Katze, behandelt, die wieder einmal niesend und schniefend auf unserer Isolierstation sitzt, und jetzt suche ich Ginge, um ihm seine Tabletten zu geben, ehe die Morgensprechstunde anfängt. Aber ich finde ihn nicht an seinen üblichen Lieblingsplätzen: auf der sauberen Wäsche, unter einem der Regale am Empfang oder unterm Sofa im Personalraum.
»Hat jemand die Katze gesehen?«, rufe ich aus dem Personalraum.
»Welche?«, ruft Emma aus dem Flur zurück.
»Ginge.«
»Ach, um den würde ich mir keine Sorgen machen – der ist sicher nicht weit weg.« Emma schaut um den Türrahmen, als plötzlich ein Geräusch meine Aufmerksamkeit erregt. Ein gleichmäßiges Klopfen, begleitet von einem mechanischen Quietschen.
»Irgendwas stimmt mit dem Trockner nicht.« Ich dränge mich an Emma vorbei und laufe in die Waschküche, die an dem breiten Flur zur Hintertür liegt. Ich reiße die Tür des Wäschetrockners auf, woraufhin eine rote Katze heraustaumelt. Sie hat die Krallen in mehrere Unterlagen verhakt, die zusammen mit ihr herausfallen. Schlaff und leblos trifft ihr Körper auf dem Boden auf. Ginges Fell ist derart statisch aufgeladen, dass zwischen ihm und meinen Fingern heiße Funken sprühen. Emma stößt mich beiseite, reißt ihn mit beiden Armen hoch und ruft nach Izzy, damit sie ihr in kaltes Wasser getränkte Handtücher bringt.
Ich habe ihn umgebracht. Ich weiß nicht, ob ich laut schreie oder nur in meinem Inneren oder beides, während ich Emma in den Behandlungsbereich folge, wo Izzy und sie sich um ihn kümmern. Armer Ginge. Er liegt auf dem Behandlungstisch, Kopf und Schwanz ragen aus einem Berg nasser Handtücher heraus, und ein Thermometer steckt in seinem Hintern. Emma prüft die Temperatur und zieht es hastig heraus.
»Vierzig Grad und steigend. Wir legen ihn unter die Dusche.«
Sie befreit ihn von den Handtüchern und trägt ihn zur Hundedusche. Izzy wartet schon auf sie, hält die Brause in der Hand und dreht den Wasserhahn auf. Ich spüre, wie Tränen über meine Wangen laufen, als Emma Ginges schlaffen Körper unter den sprühenden Strahl hält.
»Ist er …« Ich bleibe ein paar Schritte abseits stehen. Falls Emma
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