Dann muss es Liebe sein
nicht infrage: Die Vorstellung, in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinen Eltern zu wohnen, ist mir unerträglich.
»Du willst ihn ja wohl nicht aus der Verantwortung entlassen und jede Nacht selbst aufstehen, um das Baby zu füttern?«, fährt Emma fort. »Maz, in der wievielten Woche bist du jetzt?«
»Ich weiß es nicht.« Wir haben inzwischen Mitte April, also … »Vielleicht die fünfzehnte.«
»Das heißt, du hast noch fünfundzwanzig vor dir. Eventuell weniger, wenn das Baby früher kommt. Das ist nicht viel.«
»Du hast ja recht, ich verdränge das Ganze. Es ist leichter, nicht daran zu denken und einfach so zu tun, als passierte das alles nicht.«
»Das klingt ja so, als wolltest du es gar nicht«, sagt Emma, und sie wirkt verletzt. »Ich weiß, du hast immer gesagt, dass du keine Kinder willst, aber ich kann nicht glauben, dass du das wirklich ernst gemeint hast.«
»Ich habe doch die ganzen Opfer während des Studiums nicht umsonst gebracht.«
»Aber es wäre doch nicht umsonst. Meine Güte, du kannst ein Baby bekommen und arbeiten. Wenn jeder so denken würde wie du, wäre die Menschheit längst ausgestorben.«
»Es ist ja nicht nur das«, sage ich und spiele mit den Söckchen – selbst wenn ich sie lang ziehe, sind sie noch immer unvorstellbar klein. »Da ist noch so vieles anderes …«
»Ich bin da, wenn du darüber reden willst. Du brauchst nicht alles mit dir allein auszumachen.«
»Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, erwidere ich und frage mich, wie sehr ich auf meine Worte achten soll, um Emmas Gefühle zu schonen.
Es gibt so vieles, was mir zu schaffen macht. Der Druck, als Mutter genauso perfekt zu sein wie Astra. Die Mühe, die es mich kostet, nicht undankbar zu klingen, während Emma sich verzweifelt wünscht, selbst Mutter zu werden. Die Tatsache, dass ich mich in einem Alter befinde, in dem ich eigentlich meinen Erfolg und mein Leben genießen sollte, und stattdessen einfach nur völlig erschöpft bin. Das Bedauern darüber, dass Alex und ich nicht die Zeit hatten, all die Dinge zu tun, die man als Paar nun einmal tut. Wir sind nie zusammen weggefahren, nur wir beide, ohne Zeitdruck.
Aber das Schlimmste ist die Zurückweisung durch die alten Fox-Giffords, die ihr eigenes Enkelkind ablehnen. Es erschwert Alex das Leben, und dabei ist es so ungerecht, schließlich schuftet er Tag und Nacht für die Familienpraxis. Sie wissen gar nicht, was sie an ihm haben. Und auch für mich wird es eine unangenehme Situation sein. Sobald das Baby auf der Welt ist, wird vor allem Lucie bald merken, dass es anders behandelt wird als Seb und sie, und dann werde ich mich ihren Fragen stellen müssen.
Ich seufze laut. Ich erwarte nicht, dass mich jeder liebt oder auch nur mag. Aber ich erwarte, dass man mich mit Respekt behandelt. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass die alten Fox-Giffords mich in ihrem gesamten Freundes- und Bekanntenkreis schlechtmachen. Zwar tue ich nach außen hin so, als mache es mir nichts aus, aber in Wahrheit verletzt es mich doch.
»Komm schon, Maz«, sagt Emma. »Du brauchst das nicht allein durchzustehen. Vielleicht kann ich dir ja helfen.«
»Das glaube ich nicht.« Emma ist gut darin, Probleme zu lösen, aber ich wüsste nicht, wie sie etwas an der Kluft zwischen mir und den alten Fox-Giffords ändern sollte. »Da ist Hopfen und Malz verloren«, entgegne ich düster.
»Du meinst zwischen dir und Alex’ Eltern?«, fragt Emma. »Tut mir leid – Frances redet von nichts anderem mehr. Sie glaubt, es sei ihre Schuld, weil ihr vor dem alten Fox-Gifford rausgerutscht ist, dass du schwanger bist. Sie sagt, er war zutiefst beleidigt, weil er es nicht als Erster erfahren hat. Aber das legt sich schon wieder, glaub mir.«
»Sie waren unglaublich beleidigend, Em.«
»Ist das denn so wichtig?«, fragt Emma. »Ich meine, du brauchst doch keinen Kontakt mit ihnen zu haben.«
»Ja, es ist wichtig. Und sei es bloß, weil es Alex das Leben so schwer macht. Es tut ihm furchtbar weh, dass seine Eltern sein Kind schon verstoßen haben, bevor es überhaupt auf der Welt ist. Sie können mich einfach nicht leiden, weil ich nicht in die richtige Familie hineingeboren wurde. Das ist der einzige Grund.«
»Clive ist hier und würde gern mit Maz sprechen«, unterbricht uns Frances. »Wie geht es denn dem armen Ginge? Er sieht ja aus, als wäre er betrunken.«
»Er nüchtert gerade aus«, antwortet Emma. »Geh nur, Maz. Ich behalte ihn im Auge.«
»Danke«, sage ich und gehe
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