Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
findet. Um aber beides bis auf weiteres vor den Kollegen- und Chefaugen zu kaschieren, bin ich eben vorübergehend auf Walle-Walle-Oberteile in Größe L umgestiegen, was mich wahrhaftig ein wenig mollig wirken lässt.
Wilma ist trotzdem ein Aas.
Der Chef, souverän wie immer, rettet die Situation mit kühler Würde: »Dr. Wilma – kümmern wir uns doch bitte um die Übergabe!«
Die Kollegin berichtet nun also widerwillig, aber folgsam von drei Frauen, die sich heute zeitgleich zur Geburtseinleitung im Kreißsaal eingefunden haben.
Shania-Tabea, auch genannt »datt Häs-Schen«, ist unglaubliche sechzehn Jahre alt und schaut dabei locker aus wie Mitte dreißig. Das Mädel hat ihren ebenfalls minderjährigen Partner im Schlepptau, ein schlechterzogenes Großmaul in fleckiger Ballonseide, mit dem sie dringend eine rauchen gehen möchte, kaum dass sie den Kreißsaal betreten hat. Es kostet mich eine halbe Stunde Mund-fusselig-Reden, die Kleine von diesem Vorhaben abzubringen. Schlussendlich zieht meine Vorstellung der autoritären Mutter ganz hervorragend, und der Ballonseiden-Proll schlurft allein mit seiner Schachtel Marlboro in den Raucherhof davon. Man darf gespannt sein, ob wir ihn heute noch einmal zu Gesicht bekommen werden.
Shania-Tabea-Häs-Schen ist ein ziemlich großes, ganz schön überproportioniertes Mädchen, das die Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt eher sportlich locker genommen hat. Heißt im Klartext, dass sie gerade drei Mal dort gewesen ist und deshalb darf ich jetzt das komplette Rundum-Sorglos-Paket schnüren: Krankengeschichte, Ultraschall, Aufklärung. Dankeschön auch!
Währenddessen treibt mich die kleine Wuchtbrumme fast in den Wahnsinn – mit gelangweiltem, völlig ausdruckslosem Gesicht fläzt sie sich auf ihrem Bett herum und kaut gelangweilt an ihren vier Zentimeter langen, grellpinken Kunstfingernägeln.
»Hast du denn noch irgendwelche Fragen?«, frage ich wenig erwartungsvoll, als wir endlich mit allem durch sind.
»Ich muss pissen!«
Okay – DAS wird ganz sicher lustig!
Nachdem Häs-Schen ihrem menschlichen Grundbedürfnis ausgiebig nachgegangen und von O Sole Mia ans CTG gepackt worden ist – »So ’ne Scheiße – jetzt kann isch gar nisch zu meinem Alde rauchen gehn, Scheiße, ey …!« –, werfe ich ihr die erste Dosis Einleitung für Einsteiger ein und pilgere erleichtert ins nächste Zimmer, wo Russen-Olga still und schüchtern schon auf mich wartet.
Olga bekommt nun schon das dritte Kind mit Hebamme von Sinnen, und wie bereits in den beiden vorhergegangenen Schwangerschaften hat sie auch bei dieser keine eigenen Wehen entwickelt, weshalb sie jetzt – zwei Wochen nach dem errechneten Geburtstermin – standesgemäß eingeleitet wird. Sie wird mir heute die wenigsten Probleme bereiten, da bin ich ganz sicher, denn Olga ist eine russische Schwangere wie aus dem Lehrbuch: stoisch, geduldig und willig. Der Traum eines jeden Geburtshelfers, so viel ist mal klar!
Nach dem üblichen Aufklärungsblabla und der Einleitungstablette kommen wir dann auch schon zu Patientin Nummer drei: Ich-will-eigentlich-einen-Kaiserschnitt-und-bin-nur-zufällig-hier-gelandet oder kurz: Sectio-Suse.
Sectio-Suse ist eine fünfundzwanzigjährige Erstgebärende, die unglaublich gerne normal entbinden würde, aber schon jetzt mehr Angst als Vaterlandsliebe hat. Mit weitaufgerissenen, tränengefüllten Augen liegt sie vor mir auf dem Kreißbett und schaut mich an wie das weiße Kaninchen aus ›Alice im Wunderland‹. Ich setze mich also zu ihr aufs Kreißbett, tätschle die eiskalte, angstschweißnasse Hand, lass sie ein bisschen weinen, und erst, als ich das Gefühl habe, Sectio-Suse ist einigermaßen stabilisiert, werfe ich auch ihr die vorgeschriebene Einleitungstablette ein. Leider wird Suse auch die Erste sein, die mir quasi »um die Ohren fliegt«, aber davon später mehr …
Die Stunden ziehen dahin, und nachdem am späten Vormittag noch keine Frau anständige Wehen vorzuweisen hat, folgt die zweite Runde Tabletten für alle. Eine Einleitung ist ein bisschen wie ein Glücksspiel – manche Frauen bekommen sofort Wehen, andere erst nach der zweiten, dritten oder gar vierten Tabletteneinnahme, und bei einigen wenigen Frauen klappt es gar nicht mit der künstlichen Weherei. Egal, wie – Russland-Olga nimmt weiterhin alles mit stoischer Gelassenheit. Shania-Tabea nutzt die Gelegenheit, gemeinsam mit Ballonseide ein Päckchen Kippen wegzuziehen. Und selbst die
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