Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
dieses materialistisch und physisch betriebenen Aufwands? Nun – alle Kerle lieben dieses Prachtweib! Der Chef der Chirurgie! UND der Chef der Anästhesie! Selbst Professor Dr. Zeuss, internistischer Chefarzt und Klinikdirektor, der bestimmt schon 100 Jahre alt ist, es aber immer nicht zugeben will. Wirklich alle männlichen Kollegen lieben Nancy und selbstverständlich ALLE männlichen Patienten zwischen 9 und 99. Äh, ja … das sagte ich schon!
Keine Frage, dass sie im Gegenzug aus tiefstem Herzen verabscheut wird – und zwar von allen Frauen der Klinik. Ach, was sage ich da – von allen Frauen dieser Welt! Des Universums! Von allen Frauen ever! Mich eingeschlossen.
Nancy selbst interessieren diese Anfeindungen einen feuchten Kehricht. Mit einem Ego so groß wie die Vereinigten Staaten und Kanada zusammen hinterlässt das, was andere Menschen über sie denken, keinerlei Spuren. Diese Frau ist nicht nur groß, schön, talentiert und intelligent, sie ist obendrein Miss Teflon herself: Einfach alles gleitet an ihrer Hightech-Oberfläche ab! Lob, Kritik, Missgunst, Anbiederung – Nancy ist völlig autark. Ich hasse diese Frau!
Aber so was von!
Doch zurück zu meiner – Entschuldigung: unserer Patientin, welche immer noch total breit auf dem Untersuchungsstuhl hängt, das Vaginalschallkabel hübsch drapiert zwischen den Beinen schlängelnd, während Nancy sich mit einem flüchtigen »Darf ich mal?« an mir und dem Babybauch vorbei zu der Frau hindurchdrängt.
»Guten Abend, ich bin die Chirurgin!«, spricht es, reißt mit der rechten Hand Frau Breits Nachthemd bis zum Hals hoch und drückt zackig mit links die Bauchdecke bis zur Liegefläche des Gyn-Stuhls durch. Frau Breit röchelt ein wenig, was ich auch tun würde, wenn man mir gerade die Bauchdecke auf die Wirbelsäule presst.
Während »The Fancy« den Bauch systematisch weiter mit ihrer 1-A-manikürten, linken Hand durchknetet, das anschwellende Gestöhne der Patientin konsequent ignorierend, angelt sie mit rechts ein – wie könnte es auch anders sein – nigelnagelneues Funktelefon (welches normalerweise nur Chefärzten zusteht oder höchstens noch Menschen, die mindestens einen OP-Trakt gespendet haben) aus ihrer Kitteltasche, tippt eine fünfstellige Zahl ein und hält es dann – gelangweilt durch mich hindurchstierend an ihr perfekt geformtes Ohr.
»Übi – ich bin’s!«
»ÜBI« ist in diesem Fall tatsächlich Bambis real gewordener Chirurgen-Oberarsch-Albtraum und obendrein Nancys größter Fan. Weshalb Fancy-Nancy auch immer mit Dr. Überzwerg in den OP darf, um dort dann alles zu operieren, was der Plan so hergibt. DAS wiederum macht sie für die übrigen Männer ihrer Abteilung NOCH interessanter (Kerls stehen nun mal auf Frauen, die ordentlich metzeln können), und lässt sie auf der Liste der Am-meisten-von-allen-Frauen-des-Hauses-gehassten-Personen einsam und weit abgeschlagen an der Spitze stehen.
»Übilein, ich hab mir die Frau angeschaut. Butterweicher Bauch! BUTTERWEICH! – Nein, keine Abwehrspannung, kein Druckschmerz!« – Sie lauscht kurz, dann »Labor? Warte!« Ungeduldig blickt Nancy-Baby mir erstmalig in die Augen, schnalzt ungeduldig mit den Fingern in meine Richtung und raunzt: »NA? Labor?«
Schwester Notfall, die interessiert die Szene beobachtend in einer dunklen Ecke steht, schaut mich nun erwartungsvoll an. Ich schaue durchdringend zurück. Und Notfällchen hat verstanden. Wir verstehen uns eben blind. Und so drehen wir uns wortlos herum und verlassen Arm in Arm den Ort des Geschehens. Soll Miss Fancy machen, was sie will, wir sind ganz sicher nicht ihr Hofstaat. Soll doch Übi kommen und mit »anfassen«.
Nancy brüllt noch eine Weile hinter uns her, während sie mit links die nun laut schnarchende Patientin auf dem Stuhl fixiert. Das irgendjemand nicht tut, was die große, rothaarige Ärztin will, ist absolutes Neuland für sie. Normalerweise tanzt selbst der chirurgische Chef brav nach ihrer Pfeife – wenn auch ausgesprochen diskret, versteht sich. Nancy ist außer sich!
Durch das große Fenster des Ambulanzstützpunktes hindurch verfolgen wir dann gemütlich den Ausgang der Show.
»Und – hat sie eine Zyste?« Schwester Notfall schiebt sich genüsslich ein zweites Snickers rein.
»Nee – weit und breit nix zu sehen!«, antworte ich und nehme einen großen Schluck Cola.
»If da gerodö Übazweg fobeigestümt?«, nuschelt Notfall und spuckt winzige Schokonussstückchen über den
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