Danse Macabre
Empfindung in meinem Geist ist dabei nicht
Freude, sondern ein gedanklicher Seufzer der Erleichterung.
Wenn man es mit dem amerikanischen Kino zu tun hat, dann
fühlt man sich schon bei einem Gleichstand als Sieger.
Wenn man die Arbeit der Filmindustrie einmal von innen
kennengelernt hat, dann wird einem klar, daß sie ein kreativer Alp träum ist. Es wird schwer zu verstehen, wie etwas von
Qualität - ein Alien, ein Place in the Sun (dt: Platz an der
Sonne), ein Breaking Away entstehen kann. Wie bei der
Armee, ist auch in der Filmbranche die erste Grundlage
NVU: Niemals Verantwortung Übernehmen. Bei jeder kritischen Entscheidung werden mindestens ein halbes Dutzend
Leute konsultiert, damit ein anderer den Hals in der legendären Schlinge hat, wenn der Film den Bach runtergeht und
zwanzig Millionen Dollar im Arsch sind. Und wenn man den
Hals dann schon in der Schlinge hat, muß man sicherstellen,
daß man nicht der einzige ist.
Natürlich gibt es Filmemacher, die diese Angst einfach
nicht kennen, oder deren spezielle Visionen so deutlich und
stark sind, daß die Angst vor einem Flop nie zu einem Faktor
in der Gleichung wird. Brian De Palma fällt einem ein, und
Francis Coppola (der monatelang immer auf der Kippe
stand, als Regisseur von The Godfather gefeuert zu werden
und dennoch auf seiner eigenen, speziellen Vision des Films
beharrte), Sam Peckinpah, Don Siegel, Steven Spielberg.*
Dieser Faktor künstlerischer Vision ist so real und offensichtlich, daß ein Film selbst dann seine unbestreitbare Brillanz
behält, wenn ein Regisseur wie Stanley Kubrick einen so ärgerlichen, perversen und enttäuschenden Film wie The
Shining macht; sie ist einfach da.
Die wirkliche Gefahr beim Studiofilm ist die Mittelmäßigkeit. Eine Niete wie Myra Breckinridge übt eine ureigene,
schreckliche Faszination aus - es ist, als würde man Zeitlupenaufnahmen eines Frontalzusammenstoßes zwischen
einem Cadillac und einem Lincoln Continental betrachten.
Aber was sollen wir mit Filmen wie Nightwing, Capricorn
One (dt: Unternehmen Capricorn), Players (dt: Spiel der
Liebe) oder The Cassandra Crossing (dt: Cassandra Crossing) anfangen? Das sind keine schlechten Filme - nicht so,
wie Robot Monster oder Teenage Monster schlecht sind - aber
sie sind mittelmäßig. Sie sind Bläh. Nach diesen Filmen verläßt man das Kino mit keinem anderen Nachgeschmack als
dem des Popcorns, das man gegessen hat. Es sind Filme, bei
denen man sich schon Mitte der zweiten Rolle nach einer Zigarette zu sehnen anfängt.
Da die Produktionskosten in immer schwindelerregendere
Höhen steigen, werden die Risiken, nach dem großenTreffer
zu streben, immer größer, und selbst ein Roger Maris sah
ziemlich dumm aus, als er übel genarrt wurde, den Ball viel
zu heftig schwang und auf den Arsch fiel. Dasselbe gilt bei Fil
* Vergleichen Sie zum Beispiel die einmalige und einheitliche Vision, die
Spielbergs Jaws durchzieht, mit der Fortsetzung, die von einem Komitee produziert und dem unglücklichen Jeannot Szwarcz als Regisseur
gedreht wurde, der erst im Endstadium zugezogen wurde, um die
Trümmer einzusammeln, und der Besseres verdient gehabt hätte.
men und ich möchte vorhersagen - mit einigem Zögern freilich, weil die Filmindustrie so unberechenbar ist -, daß wir
niemals wieder ein so gewaltiges Risiko zu sehen bekommen
werden, wie Coppola es mit Apocalypse Now einging oder
wie Cimino es mit Heaven’s Gate eingehen durfte. Wenn es jemand versucht, dann wird der trockene, schnappende Laut,
den Sie von der Westküste hören, der sein, wenn sämtliche
großen Studios die Firmenscheckbücher zuschlagen.
Aber die Unabhängigen …, was ist mit den Unabhängigen? Hier gibt es eindeutig weniger zu verlieren; Chris Steinbrunner, ein lustiger Bursche und gewissenhafter Filmfreund, nennt viele dieser Filme »Hinterhof-Filme«. Seiner
Definition zufolge war The Horror of Party Beach ein Hinterhof-Film, ebenso The Flesh Eaters und Tobe Hoopers Texas
Chainsaw Massacre. (Night of the Living Dead, der von einer
existierenden Filmgesellschaft gemacht wurde, die Zugang
zu Fernsehstudios in Pittsburgh hatte, zählt nicht als »Hinterhof-Film«.)
Es ist ein guter Ausdruck für Filme, die von Amateuren, begabten oder sonstigen, mit billigsten Mitteln und ohne Garantie eines Verleihs gemacht wurden - diese Filme sind das
teurere Äquivalent des unaufgefordert eingesandten Manuskripts. Es sind Jungs, die beim Drehen nichts zu verlieren
haben und daher nach den Sternen greifen können.
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