Danse Macabre
zahllose Komitees des Repräsentantenhauses und des Senats, die
gebildet wurden, um das Thema zu diskutieren. Auch nach
der Ermordung von John F. Kennedy, Robert F. Kennedy
und Martin Luther King erschossen Privatdetektive die
Bösen und bekamen eins auf den Schädel geschlagen; man
konnte an jedemTag der Woche, einschließlich Sonntag, seine
Dosis Gewalt bekommen, indem man einfach den Kanal
wechselte. Der unerklärte Krieg in Vietnam heizte sich ziemlich gut an, herzlichen Dank; die Gefallenenzahlen schnellten in die Stratosphäre. Kinderpsychologen sagten aus, daß
Kinder der Testgruppe zu deutlicher Aggressivität beim Spielen neigten, nachdem sie zwei Stunden lang brutale Sendungen im Fernsehen gesehen hatten - sie schlugen ihr Spielzeugauto zum Beispiel auf den Boden, anstatt es hin und her zu
rollen.
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Los Angeles 1969. Janis Joplin, die später an einer Überdosis
Drogen sterben wird, kreischt »Ball and Chain« hinaus. Jim
Morrison, der in der Badewanne an Herzversagen sterben
wird, singt am Ende eines Songs mit dem Titel »The End« laut
»Kill, kill, kill, kill« - Francis Ford Coppola wird den Song
zehn Jahre später benützen, um den Prolog von Apocalypse
Now einzublenden. Newsweek veröffentlicht das Bild eines
schüchtern lächelnden amerikanischen Soldaten, der ein abgeschnittenes Menschenohr hochhält. Und in einem Vorort von
Los Angeles sticht ein Junge seinem kleinen Bruder mit dem
Finger ein Auge aus. Er wollte, sagte er, nur das alte Boinnng! mit zwei Fingern der Three Stooges nachahmen. Wenn sie es im
Fernsehen machen, erklärte das weinende Kind, wird keinem
weh getan.
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Die gestellte Gewalt des Fernsehens rollte dennoch weiter,
vorbei an Charles Whitman oben auf seinem Texas Tower
(»There was a rumor/about a tumor«, sangen Kinky Freedman and theTexas Jewboys voller Wonne, »nestled at the base
of his braiyyyn …«), und was sie schließlich tötete und die
Komödien der siebziger Jahre auslöste, war, verglichen mit
dem Tod eines Präsidenten, eines Senators und eines Bürgerrechtlers, ein vergleichsweise unbedeutendes Ereignis. Die
Fernsehbosse waren schließlich gezwungen, ihre Position neu
zu überdenken, weil einem jungen Mädchen in Roxbury das
Benzin ausging.
Unglücklicherweise hatte sie einen Benzinkanister im Kofferraum. Sie ließ ihn sich an der Tankstelle füllen, und als sie
zum Auto zurücklief, traf sie auf eine Bande schwarzer Jugendlicher, die ihr den Kanister wegnahmen, sie mit dem
Benzin überschütteten und sie dann anzündeten - wie die
Mutter, die versuchte, den Dämon aus ihrem Baby auszutreiben. Sie starb Tage später. Die Jugendlichen wurden geschnappt, und schließlich stellte ihnen jemand die Vierundsechzigtausend-Dollar-Frage: Woher hattet ihr diesen gräßlichen Einfall?
Aus dem Fernsehen, lautete die Antwort. Aus dem ABC
Movie of the Week.
Ende der sechziger Jahre schrieb Ed McBain (in Wirklichkeit der Romancier Evan Hunter) einen seiner besten »87.
Revier«-Romane über diese Polizeitruppe. Er trug den Titel Fuzz und handelte teilweise von einer Bande Teenager, die
herumzogen und Penner mit Benzin übergössen und sie anzündeten. In der Filmversion, die Steven Scheuer in seinem
unschätzbar wertvollen Fernsehlexikon Movies on TV als
»wirre Komödie« beschreibt, spielen Burt Reynolds und Racquel Welch die Hauptrollen. Der größte Lacher des Films ist
der, als ein paar Polizisten im Einsatz sich als Nonnen verkleiden und einen Verdächtigen verfolgen, wobei sie die Röcke
hochhalten und große, derbe Stiefel entblößen. Verdammt
komisch, was, Leute? Ein echter Heuler.
McBains Roman ist kein Heuler. Er ist grimmig und beinahe wunderschön. Es ist ihm sicher niemals besser gelungen
zu beschreiben, wie der Polizeieinsatz tatsächlich ist, als in
der Szene, als Steve Carella, der sich als Penner verkleidet
hat, selbst angezündet wird. Die Produzenten des Films
sahen offenbar etwas zwischen M*A*S*H und Naked City darin, und das erbärmliche Resultat kann man getrost vergessen, so wie einen Fastball vonTracy Stallard …, nur einer von
Stallards Fastballs flog aus dem Fenway Park hinaus und
wurde zu Roger Maris rekordebrechendem einundsechzigstem Home-Run. Und Fuzz, eine armselig produzierte Komödie, machte der Gewalt im Fernsehen effektiv ein Ende.
Die Botschaft? Ihr seid verantwortlich. Und die Fernsehsender akzeptierten diese Botschaft.
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»Wie rechtfertigen Sie die Gewalt der Duschszene in Psycho?« fragte einmal ein Kritiker Sir Alfred
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