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Danse Macabre

Danse Macabre

Titel: Danse Macabre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hervorragendste Erkenntnis dieser Rückkehr in die
Kindheit kommt wahrscheinlich in David Cronenbergs großartigem Horror-Film The Brood (dt: Die Brut) vor, wo eine
verstörte Frau buchstäblich »Kinder des Zorns« hervorbringt, die hinausziehen und ihre Familienangehörigen einen
nach dem anderen umbringen. Etwa in der Mitte des Films
sitzt ihr Vater niedergeschlagen auf dem Bett in einem der
oberen Zimmer, trinkt und trauert um seine Frau, die eine
der ersten war, die den Zorn der Brut spürten. Schnitt zum
Bett selbst …, und Hände mit Krallen greifen plötzlich darunter hervor und graben sich neben den Schuhen des zum Untergang verurteilten Vaters in den Teppich. So stößt uns Cronenberg die Rutschbahn hinab; wir sind wieder vier Jahre alt,
und unsere schlimmsten Befürchtungen, was sich unter dem
Bett verstecken könnte, haben sich bewahrheitet.
    Das Ironische bei alledem ist, daß Kinder viel besser imstande sind, mit Fantasy und Schrecken auf ihre Weise fertig
zu werden als ihre Eltern. Sie haben gemerkt, daß ich den
Ausdruck »auf ihre Weise« kursiv hervorgehoben habe. Ein
Erwachsener kann sich The Texas Chainsaw Massacre ansehen und es verarbeiten, weil er weiß, daß nichts davon wahr
ist - wenn die Einstellung zu Ende ist, stehen die Toten einfach wieder auf und waschen sich das Bühnenblut ab. Ein
Kind kann diese Unterscheidung nicht treffen, daher hat Chainsaw Massacre seine Freigabestufe R zu Recht. Kleine
Kinder brauchen diese Szene nicht, ebenso wenig wie sie die
am Ende von The Fury (dt: Teufelskreis Alpha) brauchen, als
John Cassavetes buchstäblich zerplatzt. Was ich damit sagen
will ist, wenn Sie ein sechsjähriges Kind in die erste Reihe
einer Vorstellung von The Texas Chainsaw Massacre setzen
und daneben einen Erwachsenen, der vorübergehend außerstande ist, zwischen Schein und »wirklichen Dingen« (wie
DannyTorrance es in Shining ausdrückt) zu unterscheiden wenn Sie diesem Erwachsenen weiterhin zwei Stunden vor
Beginn der Vorstellung eine Dosis Yellow-Sunshine-LSD
geben -, dann möchte ich meinen, daß das Kind vielleicht
eine Woche lang schreckliche Alpträume haben wird. Der Erwachsene könnte durchaus ein Jahr in einer Gummizelle verbringen und mit Wachsmalstiften nach Hause schreiben.
    Eine gewisse Menge Fantasy und Horror im Leben eines
Kindes scheint mir vollkommen in Ordnung zu sein, eine
nützliche Sache. Kinder können aufgrund des Umfangs ihrer
Phantasiekapazität damit fertig werden, und sie können
durch ihre einzigartige Position im Leben solche Gefühle
zum Funktionieren bringen. Sie begreifen ihre Position auch
sehr gut. Selbst in einer so vergleichsweise geordneten Gesellschaft wie der unseren ist ihnen klar, daß ihr Überleben
praktisch überhaupt nicht in ihren Händen liegt. Kinder sind
bis zum Alter von ungefähr acht Jahren oder so im wahrsten
Sinne des Wortes »Abhängige«; sie sind von Mutter undVater
abhängig (oder einem hinreichenden Abziehbild davon), und
zwar nicht nur wegen Essen, Kleidung und Unterkunft, sie
hängen auch davon ab, daß sie das Auto nicht gegen einen
Brückenpfeiler fahren, daß sie sie rechtzeitig zum Schulbus
bringen, daß sie sie von Cub Scouts oder Brownies heimbringen, daß sie Medikamente mit kindersicheren Verschlüssen
kaufen, davon abhängig, daß man sicherstellt, daß sie sich
nicht selbst durch einen Stromschlag töten, wenn sie mit dem
Toaster herumspielen oder mit Barbies Schönheitssalon in
der Badewanne.
    Dieser notwendigen Abhängigkeit läuft der in uns alle eingebaute Überlebenswille direkt entgegen. Das Kind erkennt
sein grundlegendes Fehlen jeglicher Kontrolle, und ich vermute, daß eben diese Erkenntnis das Kind sich unbehaglich
fühlen läßt. Es ist dieselbe freischwebende Angst, die viele
Luftreisende empfinden. Sie haben nicht Angst, weil sie den
Luftverkehr für unsicher halten; sie haben Angst, weil sie die
Kontrolle abgegeben haben, und wenn etwas schiefgeht,
dann können sie nicht mehr tun als sich an der Kotztüte oder
der Flugzeitschrift festklammern. Die Kontrolle abzugeben,
läuft dem Überlebenstrieb entgegen. Umgekehrt mag ein
denkender, gebildeter Menschen wissen, daß es viel gefährlicher ist, mit dem Auto zu reisen, als zu fliegen, aber dennoch
wird er sich hinter dem Steuer sicherer fühlen, weil er die
Kontrolle hat … oder wenigstens eine Illusion davon.
    Diese verborgene Feindschaft und Angst gegenüber den
Flugzeugpiloten in ihrem Leben mag eine Erklärung dafür
sein, warum auch die alten

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