Dante Valentine 04 - Suendenpfuhl
und scheuchte mich dann aus der Turnhalle. Als sich die Tür hinter uns leise schloss, war es mir, als würde in meiner Brust ein Knochen brechen.
Sobald ich mich wieder beruhigt hatte, tauchte ich unter ihrem Arm weg. „Ich muss mich auf den Weg machen und brauche ein Slicboard. Ich habe noch was zu erledigen.“
Sie nickte. „Aber beeil dich. Lange lässt er sich hier nicht mehr festhalten.“ Ich hatte den Eindruck, dass sie noch etwas hinzufügen wollte, vielleicht etwas lächerlich Menschliches wie: Geht es dir gut?
Aber die Antwort darauf war ja klar. Mir ging es nicht gut.
Mir würde es nie wieder auch nur annähernd gut gehen. Ich hatte soeben den Fehdehandschuh in den Ring geworfen, haha, und wenn Japhrimel erst mal da raus war, würde er mich suchen. Jetzt lag alles offen auf dem Tisch – seine Lügen und meine Weigerung, meinen Teil unserer Vereinbarung mit Luzifer zu erfüllen.
Jetzt herrschte Krieg, und ich glaubte nicht, dass er fair kämpfen würde.
Ich übrigens auch nicht. Nicht, wenn es um Eve ging. Ich spannte die Schultern an, damit meine Knie endlich aufhörten zu zittern. „Ich habe was zu erledigen. Wo treffen wir uns wieder?“
Sie nickte zustimmend. Ich brach mein Wort gegenüber Luzifer, ich war Japhrimel in den Rücken gefallen. Das dicke Ende würde nicht lange auf sich warten lassen, wie es so schön heißt.
Jetzt muss ich endlich dieses Armband abbekommen, dann kann der Tanz beginnen.
Ihre dunkelblauen Augen ließen mich nicht los. „Wenn es dir möglich ist, komm nach Paradisse. Wenn nicht, finde ich dich schon.“
Paradisse, in Hegemonie-Franje, die schwebende Stadt der tausend Lichter und der Schattenseite darunter. Ein toller Ort, um sich zu verstecken, besonders für Dämonen. Ich nickte. Meine Augen brannten verdächtig.
Eve beugte sich vor. Ihr Atem streifte meine Wange, dann drückte sie mir ihren kühlen, duftenden Mund auf die Haut.
Es war ein angenehmer, keuscher Wangenkuss, und obwohl die Berührung nur sehr kurz dauerte, schoss sie mir wie eine Flamme durch Mark und Bein. Jetzt konnte ich wieder aufrecht stehen. Selbst den festen Griff um mein Schwert konnte ich lockern. Ich strich mir ein paar widerborstige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Der Hausflur erbebte, selbst der Staub in der Luft schien wie erstarrt.
Bedeutet dies, die Vereinbarung gilt? Besiegelt mit einem Kuss. Dem Kuss des Verrats. Gegen Japhrimel kann ich nicht gewinnen, ich kann aber auch Eve nicht hintergehen. Ich bin verloren.
„Danke“, sagte sie ernst. „Das werde ich dir nicht vergessen.“
Ich habe den leisen Verdacht, ich ebenso wenig. Ich habe soeben das Einzige getan, was ein Nekromant nie tun sollte: Ich habe ein Versprechen gebrochen. „Ich weiß“, flüsterte ich. „Tu mir den Gefallen und verschwinde möglichst schnell von hier. Sein Ausbruch steht näher bevor, als du denkst.“
Von einer öffentlichen Telefonzelle im Universitätsviertel rief ich Jado an. Ich lehnte mich an die Seitenwand und beobachtete die Ströme von Menschen, die spätnachmittags im Nieselregen noch zum Einkaufen eilten. Ein neuer Sturm kündigte sich an, das merkte ich am Geruch des Regens und dem beunruhigenden Knistern der Luft. Ob der Sturm ein reines Wetterereignis war oder eher Unheil bedeutete, war unklar. Wahrscheinlich beides.
Jado konnte mir nichts Neues berichten, nur dass Cam und Merey fort waren, was mich nicht sonderlich überraschte. Ich hatte schon damit gerechnet. Den versiegelten Beutel mit den Originalunterlagen und der Akte hatte er allerdings noch. Ihn zu bestehlen hatten die beiden nicht annähernd im Kreuz.
Er erkundigte sich, ob ich gefunden hatte, wonach ich suchte.
„Wie man’s nimmt.“ Ich zitterte kaum noch, klang aber immer noch heiser und angeschlagen. Ausnahmsweise fühlte ich mich so müde, wie ich war. „Danke. Ich melde mich wieder.“
Nachdem das erledigt war, winkte ich mir an der Ecke University und Thirteenth ein Taxi heran. Der Fahrer, ein fetter, teigiger Normalo, fing weder zu murren an, noch wurde er blass, als er meine Tätowierung sah. Dass ich eine Psion war, schien ihm völlig entgangen zu sein.
Tja, kleine Wunder gibt es immer wieder.
„Trivisidiro, North End. Ich will vor fünfzehn Minuten dort gewesen sein.“
Ich hoffte nur, ich kam nicht schon zu spät.
28
Von Jace hatte ich in einem Jahr mehr über Kopfgeldjagden gelernt als aus allen Unterlagen zur Strafverfolgung während meiner fünf Jahre auf der Akademie. Die erste Regel,
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