Dante Valentine 04 - Suendenpfuhl
kam mir ein bisschen wie eine Voyeurin vor, während ich ihn betrachtete: Sein Mund wurde bei ihrem Anblick ganz weich, und seine Augen sprachen eine Sprache, die man, auch ohne Nichtvren zu sein, verstehen konnte. Egal, was sonst zwischen den beiden liefer war ihr gnadenlos verfallen. Es war ein sehr menschlicher Gesichtsausdruck, der mir die Kehle zuschnürte.
Es gelang ihr, gleichzeitig verächtlich und amüsiert zu klingen. „Ich zwinge dich nicht zu irgendwelchen Vereinbarungen, Nik. Du bist derjenige, der immer Vereinbarungen treffen will. Man sollte doch meinen, nach ein paar hundert Jahren hättest du endlich kapiert, dass es so nicht funktioniert.“
Er zuckte mit den Schultern, eine anmutige, nicht im Geringsten menschliche Bewegung, die sie vermutlich wahrnahm, auch wenn sie sie nicht sehen konnte. „Du bist immer noch hier, nicht wahr? Ich halte meine Versprechen.“
„Gut.“ Sie kam auf mich zu und hakte sich bei mir unter. Ich zuckte heftig zusammen – es war mein rechter Arm, und wenn ich das Schwert ziehen wollte, würde ich sie erst abschütteln müssen. „Und ich halte meins. Ich helfe ihr. Wenn du willst, kannst du da sitzen bleiben und verrotten.“
„Selene …“
„Nein, Nik.“ Ihre Kiefer spannten sich an.
„Selene …“ Klang seine Stimme etwa flehentlich? Das war wirklich eine einmalige Erfahrung, einen Meister-Nichtvren bitten zu hören.
Selene ließ sich nicht erweichen. „Nein.“ Beim Ton ihrer Stimme erbebten die Bilder an der Wand, und sogar die Möbel stöhnten leise unter der Kraft ihrer Psinergie auf.
„Lena.“ Seine Stimme klang weich und intim. Ich wollte zu Boden schauen, um den beiden ein bisschen Privatsphäre zu lassen, konnte den Blick aber nicht abwenden.
Ihre Anspannung wuchs. „Ich bin nicht dein Besitz, Nikolai. Ich bleibe, weil ich bleiben will. Müssen wir das wirklich schon wieder diskutieren?“
Seine Schultern sackten herab. Steif fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. Ich glaube, das war das einzige Mal, dass ich einen Nichtvren völlig am Boden zerstört erlebt habe. Tiens starrte stur auf die Spitzen seiner Stiefel und verkündete mit dieser stillen Pose lauthals, dass er dem Ganzen nicht die geringste Beachtung schenkte.
„Verlass das Nest nicht, Milaya. Nicht ohne mich. Bitte.“
Dann will sie also mit mir zusammen losziehen? Geht es darum? Danke, aber ohne mich. Es war lächerlich, dass ich vor den Saugköpfen mehr Angst hatte als vor Dämonen, aber so war es nun mal.
„Ich lasse es mir durch den Kopf gehen.“ Sie zog an meinem Ann, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. „Amüsiert euch gut, Jungs.“
Nikolais Blick ruhte sekundenlang auf mir. Ich war mir nicht sicher, ob er mir die Schuld geben wollte für den Krach zwischen ihm und seiner Gemahlin. Es war mir egal – ich wollte sie bloß über Gabe und die Sedayeen-Klinik ausquetschen. Eddie war kurz vor seinem Tod mit Sedayeen zusammen gewesen, und eine Schamanin aus jener Klinik war zu Abra gekommen, um mich zu suchen. Und jetzt war eine Bombe auf die Klinik geworfen worden. Handelte es sich um dieselbe Klinik? Wie viele Sedayeen-Kliniken in Saint City liefen Gefahr, Ziel eines Anschlags zu werden? Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass da kein Zusammenhang bestand.
Na prima. Wenigstens weiß ich, wo ich als Nächstes hingehe.
Ganz abgesehen davon, dass mehrere Magi gestorben waren und Dämonen verheerende Schäden angerichtet hatten. Nikolai ging davon aus, dass das alles irgendwie mit mir zusammenhing, und ich war mir nicht sicher, ob er da wirklich so danebenlag, ganz gleich, was Tiens ihm erzählt hatte oder wie wenig ich darüber wusste.
Selene zerrte mich regelrecht aus dem Zimmer hinaus, schloss die Tür hinter uns und stieß einen lauten Seufzer aus. „Kommen Sie mit.“ Sie ließ meinen Arm los und deutete mit einer anmutigen Handbewegung den Flur entlang. „Sie können kein Franje.“
Ich setzte mich in Bewegung, und sie hielt sich neben mir. Die Absätze unserer Stiefel klackerten über den Boden. „Nein.“
„Tiens hat Nik erzählt, dass der grünäugige Älteste in unserer Stadt einen entlaufenen Dämon jagt und dass man Sie zu Ihrem eigenen Besten aus der Sache heraushält. Nik hat gefragt, ob der Älteste eine Schuld einfordern wolle, und Tiens hat geantwortet, es gebe keine einzufordernde Schuld, dass es dem Ältesten aber außerordentlich missfallen würde, wenn Ihnen nicht wenigstens ein Mindestmaß an Schutz geboten würde.“
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