Dante Valentine 05 - Hoellenschlund
zu blöd, die ganze Zeit mit offenem Mund rumzusitzen. Also biss ich wieder in meine Pizza. Heiße Tomatensoße, geschmolzener Käse, ein bisschen viel Oregano.
Mit etwas Essen im Bauch fühlte ich mich gleich ein wenig kräftiger. „Das habe ich gar nicht gewusst.“
„So war es ja auch geplant“, antwortete er in dem für ihn typischen Tonfall, der so viel besagte wie: Du bist eben eine Idiotin.
Natürlich hatte ich so etwas vermutet. Aber mir war nie jemand aufgefallen, der Japhrimel und mich bewachte, während ich mich an ein langweiliges, regelmäßiges Leben zu gewöhnen versuchte. Ich forschte nach Schattenschriftstücken, schaute nach antiken Möbeln, ging in der Nachmittagssonne spazieren … und wachte schreiend auf, weil Mirovitchs Ka Dinge in meinem Kopf flüsterte und Finger aus brennendem Ektoplasma sich in meine Kehle bohrten und versuchten, meinen Geist zu vergewaltigen.
Zitternd legte ich das Pizzastück auf seine Plastikumhüllung zurück. Das schwarze Loch in meinem Kopf weitete sich aus, und Echos hallten durch meinen Schädel.
Die Narbe in der Vertiefung an meiner linken Schulter zuckte warnend.
„Alles in Ordnung?“ McKinley sah mich fragend an.
Wieder zuckte meine Schulter, als hätte sich ein Angelhaken hineingebohrt. „Alles bestens.“ Ich schlang die Pizza hinunter, ohne zu schmecken, was ich da aß. Ich musste auftanken, egal, was als Nächstes geschah. „Weißt du was?“, sagte ich zwischen zwei Bissen und wischte mir die Tomatensoße von den Lippen. „Ich glaube, ich sollte lieber nicht wie eine Prinzessin auf der Erbse hier oben hocken bleiben. Ich glaube, wir sollten das Haus erkunden und rausfinden, was die Dämonen so treiben.“
McKinley verschluckte sich beinahe an seinem Baguette. „Warum hauen wir nicht gleich ganz ab?“, fragte er mit weit aufgerissenen Augen.
Ich machte mich über den Rest meiner Pizza her. „Weil wir da draußen ohne Japhrimel beide keine Überlebenschance haben.
Das hier ist für Luzifer keine Bagatelle. Ich habe ihn in großem Stil herausgefordert. Außerdem bin ich mir sicher, dass die Hegemonie mich ebenfalls liebend gern in die Finger kriegen würde. Im Moment bin ich ganz heiße Ware. Aber Dämonen traue ich auch nicht, selbst wenn sie einen guten Grund haben, mich zu beschützen. Allmählich traue ich niemandem mehr, nicht mal mir selbst. Also möchte ich mich ein bisschen umsehen, wo ich hier gelandet bin.“ Außerdem halte ich es nicht aus, wie ein Tier in diesem Turm eingesperrt zu sein.
Trotz der ganzen dämonischen Sicherheitssysteme an den Wänden fühlte ich mich schrecklich verletzlich. Außerdem fühlte ich mich dreckig, ungepflegt, hässlich und ein klein wenig wackelig auf den Beinen. Ich sehnte mich nach irgendeiner Aktion – einem Trainingskampf oder einem richtigen, nach irgendetwas, an dem ich meine nur mühsam unterdrückte, hellrot aufblitzende Wut auslassen konnte.
Ein Schatten fiel auf die Küchentür, und noch bevor sie ins Blickfeld kam, wusste ich, um wen es sich handelte. Ich roch sie -ihr Geruch hatte sich meiner empfindlichen Nase inzwischen nachhaltig eingeprägt.
McKinley sprang auf. Jegliche Farbe war ihm aus dem Gesicht gewichen. Ich schluckte die letzten beiden Bissen Pizzakruste hinunter. Eve stand mit verschränkten Armen da und lächelte gelassen. Das schneeweiße, fast schon lebendig wirkende Haar hing ihr bis auf die Schultern herab, und sie blickte mich aus ihren gasflammenblauen Augen an.
„Wie ich sehe, habt ihr die Vorräte gefunden. Ich hielt es für besser, euch nicht mit den anderen Gästen zu Tisch zu bitten.“
Ich leckte mir die Finger ab. „Entzückend. Vermutlich könnte ich alles innerhalb einer Stunde in mich reinschlingen. Aber ich habe mir gedacht, ich schaue mich mal ein bisschen um, wie das hier bei dir so läuft.“
Sie hob die eine Schulter und ließ sie wieder fallen. Auch diesmal trug sie Blau, einen indigofarbenen Pullover mit Zopfmuster, eine Hose, die bestimmt von einem Designer entworfen worden war, und dasselbe Paar flache Veranoschuhe wie beim letzten Mal. Für diese Dämonin nur das Beste.
Ich ertappte mich dabei, wie ich ihr Gesicht mal wieder nach Ähnlichkeiten mit Doreen absuchte und sie mit ihrem früheren Aussehen verglich, jener Maske, die mich dazu gebracht hatte … ja, zu was eigentlich? Mich gegen den Teufel aufzulehnen? Das hätte ich sowieso getan. Es war ja nicht so, dass Luzifer mich in Ruhe gelassen hätte.
„Wenn genug Zeit bleibt“,
Weitere Kostenlose Bücher