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Dante Valentine 05 - Hoellenschlund

Dante Valentine 05 - Hoellenschlund

Titel: Dante Valentine 05 - Hoellenschlund
Autoren: Lilith Saintcrow
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Abenddämmerung, wenn der Weihrauch kräftiger wird und die Schatten ein Eigenleben entwickeln, findet man Tempel meist verlassen vor. Nach Einbruch der Dunkelheit vermeiden Normalos instinktiv Orte mit starker Psinergiekonzentration, während Psione bei Sonnen- Untergang erst richtig wach werden. Es ist, als würde die gesamte Welt einen psychischen Schichtwechsel vornehmen.
    In diesem Teil der Welt wurden vor allem alte griechische Götter verehrt. Hermes mit geflügelten Schuhen und Helm, Hera auf dem ihr gebührenden Ehrenplatz, Apollos kleine Statue neben der wuchtigeren von Artesima Hekate, die einen Bogen hielt und einem schlanken, marmornen Windhund über den Kopf strich. Auch Hades stand dort, verdeckt von Persephonica mit Ihrem Korb voller Blumen, dem Gegenstück zu Demeters Füllhorn. Ares duckte sich hinter Seinen Schild, das Kurzschwert streitlustig erhoben. Aphroditas lag matt auf einem langen Sofa und stellte triumphierend ihren schimmernden nackten Körper zur Schau.
    Es gab auch noch eine lange Empore voller Götter, die meist altperasianischer Herkunft waren, zusammen mit einem runden Schild voller Kalligraphien, Überbleibsel aus den Zeiten des alten Islum, den sein endgültiger Tod in einem Teil der Welt ereilt hatte, den er einst beherrschte, genau wie das Neo-Jesusjüngertum. Die Unterwerfungsreligionen hatten ihre Blütezeiten gehabt, aber als die Menschen nach dem Großen Erwachen direkt und verlässlich mit ihren Göttern sprechen konnten … nun, da waren sie einfach überflüssig geworden.
    Jedenfalls für die meisten vernünftigen Menschen.
    Mit meinen Kenntnissen über altperasianische Kultur war es nicht weit her, aber ich erkannte Ahra Mzda, ebenso Ah’rman, Seinen zerstörerischen Schattenzwilling. Ein roh gemeißelter Stein war Allat gewidmet, der zwar kein Perasiano gewesen war, der aber trotzdem hierher passte, wenn man sich die einstige Beliebtheit des Islum in diesem Teil der Welt vor Augen hielt.
    Es war schön, wie nur ein heiliger Ort schön sein kann. Einen Moment lang tauchte ich in den Zauber von Schönheit und Glauben ein wie in ein heißes Bad und vergaß dabei beinahe die unangenehme Schwere in meinem Bauch. Aber die Leere meines nackten Gesichts, wo mein Smaragd noch immer sinnlos an seinem Platz an meiner Wange glitzerte, war wie ein Schlag für mich.
    Was tat ich in einem Gotteshaus, jetzt, wo mich mein Gott um mehr gebeten hatte, als ich Ihm geben konnte? Ich war immer so völlig sicher gewesen, in den Armen des Todes gut aufgehoben zu sein. Jetzt konnte ich nicht einmal mehr Hades’ mürrische, überschattete Gesichtszüge unter Seinem anachronistischen sichelförmigen Helm betrachten. Sie waren nur ein weiteres Antlitz des Todes, nicht der schlanke Hundekopf meines persönlichen Seelengeleiters, aber dennoch konnte ich Seinen Anblick nicht ertragen.
    Ich konnte dem Tod nicht mehr ins Gesicht blicken.
    Ich wandte mich ab und schritt in den Tempel. Japhrimel folgte mir geräuschlos. Er war wachsam, und der Umhang, den seine Psinergie um meine Haut herum wob, wurde immer enger und hüllte mich in eine warme Decke.
    Dafür war ich durchaus dankbar, auch wenn ich es beschämt vermied, in eins der Gesichter des Todes zu sehen. Unsere kleine Gruppe verursachte so gut wie kein Geräusch, abgesehen von dem Knarzen meines neuen Rüstzeugs.
    Kyphiiduft drang mir in die Nase. Gabe Spocarelli hatte das Zeug immer abgebrannt, und der beißende Geruch hatte sich durch ihr ganzes Haus gezogen. Nur dass ihr Haus jetzt leer stand, die ganze Einrichtung durchsucht und vermutlich zerstört worden war und Gabe nicht mehr lebte.
    Ein weiterer Grund, dem Tod nicht ins Gesicht zu sehen. Wenn ich mich in das blaue Land begab, über das mein Gott herrschte, würde ich dann meine älteste Freundin treffen? Würde sie mich fragen, ob ich auf ihre Tochter aufpasste, wie ich ihr geschworen hatte? Würde sie mich fragen, ob ich ihren Tod gerächt hatte?
    Würde ihre Seele mir glauben, wenn ich ihr erklärte, ich hätte es versucht?
    Der Tempel drehte sich um mich wie ein mit Nägeln versehenes Rad aus Frömmigkeit und Glauben. Tief atmete ich die mit Kyphii -Geruch geschwängerte Luft ein und die Psinergie, die in diesen dröhnenden Wänden gespeichert war. Der Boden unter meinen Füßen bestand aus Permaplasmosaikfliesen, die wie alte Silicaglasstücke wirkten. Mitten in der Leere des verlassenen Tempels wurde mein Unterleib plötzlich von einem Monsterkrampf erfasst, der sich durch meinen
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