Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
Stimme war es, die ihm
durch Mark und Bein ging.
Er schluckte krampfhaft und hoffte, dass ihm
seine eigene nicht den Dienst versagte.
„Ja“, er räusperte sich, „das habe ich.“
„Und warum?“, fragte Danyel. Er klang
gelangweilt, doch der sinnliche Mund trug weiterhin dieses Lächeln zur Schau.
Kilian schluckte erneut. „Ich bin gekommen,
weil ich darum bitten möchte, dass die Lebenszeit von meiner Schwester Monja
und mir vertauscht wird.“
Das Lächeln erstarb.
„Weshalb?“
Der Blick aus den türkisfarbenen Augen schien
sich in ihn zu bohren.
„Ich möchte, dass sie an meiner statt ein langes
Leben führen kann.“
Danyel runzelte die Stirn, erwiderte jedoch
nichts.
„Ich verzichte auf meine Zeit, wenn Monja sie
bekommt. Ich nehme freiwillig ihre, die viel kürzer ist.“ Kilian wagte nicht,
sich zu bewegen. Sein Hals war wie zugeschnürt, während er mit Spannung auf die
Antwort wartete.
Die ließ auf sich warten. Danyel schritt auf
ihn zu. Je näher er trat, umso unruhiger fühlte sich Kilian. Er kam sich klein
vor und das, obwohl er selbst einen Meter achtzig maß. Danyels Präsenz wirkte
einschüchternd auf ihn, obwohl er aussah, wie ein Mensch. Nur die Augen
verrieten, dass er mehr als das war – weit mehr.
Eine Schrittlänge entfernt blieb Danyel stehen
und verschränkte die Arme vor der Brust. Diese Haltung änderte nichts daran,
dass Kilian ihn unvergleichlich anziehend fand. Ziemlich unangemessen, wenn man
bedachte, wen er da vor sich hatte. Oder auch normal. Er wusste ja nicht, wie
andere Menschen auf Danyel reagierten.
„Wie ist dein Name?“
„Kilian Hein.“
„Nun gut, Kilian. Warum glaubst du, sollte ich
deiner Bitte nachkommen?“
Er dachte fieberhaft nach, doch die Worte, die
er sich zurechtgelegt hatte, waren verschwunden. Also improvisierte er.
„Weil es nur ein Tausch ist. Ich erbitte ja
nicht mehr für sie und möchte zugleich meine Zeit behalten. Ich bitte nicht um
einen Gewinn, keinen Zusatz, keine Extras. Ein Handel, bei dem bloß die Namen
auf den Pergamenten getauscht werden.“
Danyel zog eine Braue nach oben und schürzte
die Lippen. Kilian verstand sich selbst nicht, aber er konnte den Blick nicht
abwenden. Sah der Kerl immer so aus? Oder veränderte er sich nach Lust und
Laune?
„Das ist wahrlich amüsant. Diesen Vorschlag hat
mir noch keiner unterbreitet und bei mir waren schon viele Menschen, die um
Zeit gefeilscht haben. Entweder für sich oder für andere, die ihnen wichtig
waren.“ Er pausierte. „Normalerweise – und das dürfte auch dir bekannt sein –
tätige ich keinen Handel ohne Gegenleistung.“
Kilian ließ die Schultern hängen. Er besaß
nichts, was er anbieten konnte. Waghalsig ging er trotzdem darauf ein.
„Was es auch ist, ich werde alles tun, was ich
kann, um den Tausch zu bezahlen.“
Danyel schnaubte. „Ich will kein Geld. Was soll
ich auch damit? Ich bekomme auch so, was ich will. Biete mir etwas anderes an
und wir sehen weiter.“
„Aber was? Ich gebe über vierunddreißig Jahre
Leben freiwillig ab, um im Gegenzug noch zwei Monate zu haben. Ab heute
gerechnet! Was soll ich bieten?“, entfuhr es ihm verzweifelt. Der Gurt seiner
Tasche rutschte von der Schulter und sie knallte auf den Boden. Er hatte es
sich so leicht vorgestellt! Reingehen, um den Tausch bitten, ein einfaches ‚Ja‘
oder ‚Nein‘ hören … seine Freude, dass man ihm den Termin gab, hatte ihn naiv
glauben lassen, es würde schon gut gehen!
Danyel betrachtete ihn, ohne jegliche Regung zu
zeigen. Kilian sah zu ihm auf. Ihr Größenunterschied war nicht so beachtlich,
trotzdem fühlte er sich, als wäre er nur halb so groß. Wie ein Kind, das vor
seinem strengen Vater steht und um etwas bittet.
„Wenn du mir nichts weiter anzubieten hast, ist
das Gespräch hiermit beendet.“
Kilian kam Monjas Lächeln in den Sinn. Nein, er
durfte nicht aufgeben, sagte er sich und wagte einen letzten Versuch.
„Sag mir, was du verlangst. Meine Schwester ist
mir alles wert.“
Danyel verdrehte die Augen und wandte sich ab.
In Kilian stieg Panik auf. Sollte es das
gewesen sein? Ohne nachzudenken, trat er vor und griff Danyel an den Arm, um
ihn aufzuhalten. Die Berührung entfachte unerwartet ein Feuer in ihm, sodass
ihm ein Keuchen entwich.
Danyel sah ihn erstaunt an und löste den Kontakt,
indem er den Arm zurückzog. „Du bist entweder respektlos oder wahnsinnig!
Niemand sonst wagt es, mich ungefragt zu berühren.“
„Verzeihung. Es war ein Reflex.
Weitere Kostenlose Bücher