Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
dies hier einmal die wichtigste Kirche der Welt gewesen war. Bis
auf die bauliche Substanz. Alles leuchtete in strahlendem Weiß. Die Wände,
Säulen und Nischen. Keine Bilder, keine Wandgemälde, keine Skulpturen in dem
riesigen Innenraum. Der vordere Bereich, den sie durchliefen, wirkte leer.
Farbe gab es nur auf dem Boden – der schimmerte
in unterschiedlichen Blautönen – und an der Decke, wie er erstaunt feststellte.
Er konnte den Blick nicht mehr abwenden. Hoch über ihm erstreckte sich ein
nachtblauer Himmel mit unzähligen Sternen. Es sah täuschend echt aus und die
gewölbte Form war nur zu erahnen.
Weil Kilian die Malkunst an der Decke anstarrte,
bemerkte er nicht, dass der Mann im Anzug stehen blieb. Er lief direkt in ihn
hinein und wich erschrocken einen Schritt zurück.
„Entschuldigung“, nuschelte er und sah den Mann
verwirrt an, der ihn mit einem strafenden Blick bedachte. Warum der so unvermittelt
stehen geblieben war, erschloss sich Kilian nicht. Sie hatten fast die Mitte
der Halle erreicht.
„Ti prego, Signore.“ Er deutete weiter
geradeaus. So wie Kilian das verstand, sollte er ab hier allein weitergehen. Er
atmete tief durch, den Blick nach vorne statt nach oben gerichtet, und lief
ohne zu zögern los.
Erst schien es ihm, als wäre der Raum
vollkommen leer. Doch als er unter der Kuppel angelangt war, erkannte er, dass
dies nicht stimmte. Alles spielte sich im hinteren Bereich ab. Er sah in die
Abzweigungen und verlangsamte seinen Schritt. Während auf der linken Seite
Regal an Regal gereiht war, befand sich gegenüber nur wenig. Zwei
Schreibtische, an denen gearbeitet wurde. Kilian sah die Schreibbewegungen der
Arme, konnte aber nicht sagen, ob die Personen Mann oder Frau waren. Beide
trugen einen Umhang mit Kapuze. Schräg versetzt befand sich noch ein Tisch,
groß und wuchtig im Vergleich zu den anderen. Dort saß niemand. Was er im
Hintergrund sah, ließ ihn staunen. Federn und Pergamente, die in der Luft schwebten
und sich wie von Geisterhand bewegten. Er blinzelte und löste den Blick. Er war
schließlich nicht hier, um zu sehen, wie hier gearbeitet wurde!
Kilian wusste nicht viel über die ehemalige
Einrichtung dieser Kirche, nur dass genau dort, wo er sich jetzt befand, der
Papstaltar gestanden hatte und es davor eine Treppe gab, die nach unten führte.
Davon war allerdings nichts zu erkennen. Der Boden war ohne Unterbrechung mit
diesen blau schimmernden Platten belegt, die er schon beim Reinkommen bewundert
hatte.
Vor sich hatte er eine riesige weiße Fläche.
Erst dachte er, es wäre eine Mauer, doch als er sich näherte, erkannte er, dass
es sich um einen Vorhang handelte. Unschlüssig blieb er stehen. Er kam sich
verloren vor in diesem großen Raum. Die Nervosität ließ seine Hände zittern und
er wusste nicht, was er nun tun sollte. Er konnte doch nicht ungefragt einfach
durch diesen Vorhang gehen, oder?
Die Frage beantwortete sich kurz darauf selbst.
Der Stoff teilte sich mittig, ein etwa zwei Meter breiter Durchgang tat sich
auf. Kilian hörte die Schritte und hielt gespannt den Atem an. Das musste er
sein …
Fünf
Der Mann, der in der Öffnung des deckenhohen Vorhangs
erschien, raubte Kilian die Luft zum Atmen. Seine Ausstrahlung machte
unmissverständlich klar, wer er war.
Danyel.
In Fleisch und Blut vor seiner Nase.
Er war der umwerfendste Mann, den Kilian je
gesehen hatte!
Groß, schien kaum älter als er selbst, und war
von wirklich ansehnlicher Statur. Die gesamte Erscheinung ließ sein Herz einen Takt
schneller schlagen. Die dunkle Bluejeans umschmeichelte kräftige Beine. Die
leicht gebräunte Haut kam durch das hoch gekrempelte weiße Hemd perfekt zur
Geltung. Schwarzes halb langes Haar und ein markantes Gesicht, aus dem ihn
Augen anblickten, die türkis wie das Meer der Karibik schimmerten. Nicht, dass
er einmal dort gewesen wäre, er kannte es nur von Bildern. Danyels Mund war zu
einem belustigten Lächeln verzogen.
Erst in diesem Moment wurde Kilian sich
bewusst, dass er ihn anstarrte und wie ein Depp aussehen musste! War ihm das
peinlich! Dass er nicht noch sabberte wie ein Hund, dem ein Stück Fleisch vor
der Nase lag, war ein Wunder … in seinem Kopf schwirrten sinnliche Bilder
umher, die er rasch beiseiteschob. Kilian hoffte, dass er im Moment nicht so
rot wäre, wie eine Tomate.
„Du hast darum gebeten, mit mir zu sprechen.“
Diese Worte ließen Kilian einen Schauer über
die Haut laufen. Nicht wegen dem, was sie besagten – die
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