Daphne - sTdH 4
Frieden, Ruhe, Schönheit und
Harmonie, daß es schade war, in die allzu irdischen Machenschaften des Pfarrers
verwickelt zu werden.
Das Kreuz
im Kirchhof hob sich scharf gegen den blassen Himmel ab, eine Mahnung an die
gute alte Zeit, in der es keine Grabsteine gab, weil ein Denkmal für alle
Toten reichte und der Glaube an das ewige Leben in Gottes Reich wichtiger war
als der Wunsch, bei den Menschen in Erinnerung zu bleiben.
Der Squire
schauderte. Manchmal fühlte er sich dem Tod sehr nahe. Auch er wollte, daß sein
Name groß auf seinem Grabstein stand. Es war nur allzu menschlich, zu
befürchten, daß man aus der Welt verschwand, ohne auch nur ein kleines Zeichen
gesetzt zu haben. Vielleicht, sinnierte der Squire, übte Charles auf ihn so
eine große Anziehung aus, weil er so temperamentvoll war, so verbunden mit der
Erde und dem Leben.
Bei diesen
Überlegungen entging es dem Squire, daß der Abendfrieden auch den Pfarrer
angerührt hatte. Er, Charles Armitage, war im Begriff, sich nobel zu verhalten.
Ganz plötzlich faßte er den Entschluß, sich in keiner Weise etwas aus dem
reichen Mr. Garfield zu machen. Als sie auf den Weg einbogen, der zum Pfarrhaus
führte, versprach er seinem Gott, daß er, wenn es um seine Töchter ging, nicht
mehr an Geld denken wolle. Wenn dieser Cyril Archer auch nur einigermaßen in
Frage kam, dann sollte Daphne ihn haben.
Der Pfarrer
wandte sein ruhiges Gesicht zum Himmel empor, und für ihn sangen die Engel.
Als er die
Augen wieder senkte, sah er eine fremde Kutsche vor dem Pfarrhaus stehen; der
Schreck fuhr ihm in die Knochen – der Bischof war angekommen, als er bei Jimmy
Radford war. Der Bischof hatte ihn mit der Geschichte von der Gicht
hereingelegt, und jetzt wartete er auf ihn, um von ihm zu verlangen, mit der
Jägerei aufzuhören.
»Der Teufel
soll ihn holen«, stieß Hochwürden wutentbrannt hervor.
»Wen?«
schreckte der Squire aus seinen Überlegungen hoch.
»Dr. Philpotts, jawohl. Es
kann nur er sein.«
»Vielleicht
nicht«, sagte der Squire besänftigend. »Vielleicht ist eine von deinen Töchtern
gekommen, um...«
»Nicht in
so einer altmodischen Kutsche«, schimpfte der Pfarrer. »Nur ein
knickstiebeliger, knauseriger, Portwein hortender Geizhals wie Philpotts kann
so eine Kutsche haben.«
Aufstöhnend
betrat Hochwürden als erster das Pfarrhaus. Es war, wie er befürchtet hatte.
Dr.
Philpotts saß im Salon, nippte am Wein und knabberte am Gebäck. Mrs. Armitage
hatte sich gerade halbwegs von ihrem letzten Krampf erholt, sah aber aus, als
sei sie auf dem besten Wege, den nächsten zu bekommen. Sie lag auf dem Sofa
hingestreckt, ein Riechfläschchen in der einen und ein Taschentuch in der
anderen Hand. Lady Godolphin rollte ihre Augen zur Zimmerdecke. Daphne beugte
sich über ihre Handarbeit, und Mr. Garfield hatte sich in seinen Stuhl
zurückgelehnt und blickte gedankenvoll, die Hände in den Hosentaschen, auf
Daphnes gesenkten Kopf.
Trotz
seines Kummers fand der Pfarrer Zeit, sich zu fragen, warum die gewöhnlich so
makellose Daphne Seidenfäden im Haar hatte.
»Ah,
Armitage«, begrüßte ihn Dr. Philpotts mit wichtigtuerischem Gehabe. »Ich bin
überzeugt, daß ich Sie aufs Glatteis geführt habe. Ich wollte, daß Sie sich
ganz sicher fühlen; darum habe ich die Botschaft geschickt, daß ich nicht
komme.«
Der Pfarrer
blickte ihn voller Abscheu an. Dr. Philpotts war ein kleiner, rundlicher Mann
mit einem feisten weißen Gesicht, großen blaßgrauen Augen und einem großen
roten Mund.
»Aber jetzt
bin ich hier, und Sie sind auch hier«, fuhr Dr. Philpotts fort. »Ich komme
gleich zum Zweck meines Besuches.«
»Dann mögen
Sie uns doch bitte alle entschuldigen«, sagte Mr. Garfield. »Sie werden mit Mr.
Armitage unter vier Augen sprechen wollen.«
»Ganz und
gar nicht. Ganz und gar nicht«, strahlte Dr. Philpotts. »Mr. Armitage muß
gezüchtigt werden, er muß dazu gebracht werden, zu erkennen, was wahre Demut
ist. Wenn ich meine Kinder schlage, dann rufe ich auch immer die Dienerschaft
herein, damit sie Zeuge ihrer Demütigung wird. Schmerzlich, aber heilsam.«
»Abstoßend
würde ich das nennen«, bemerkte Lady Godolphin.
»Genau«,
freute sich Dr. Philpotts, »obwohl ich davon über zeugt bin, daß Sie zu hart
mit Mr. Armitage ins Gericht gehen.«
»Wir sprechen nicht über ihn«, schnaubte
Lady Godolphin. »Sie, Sie Hippochrist!«
Der
Bischof, der Lady Godolphins gestörtes Verhältnis zu Fremdwörtern nicht kannte,
verstand wohl nicht,
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