Daphne - sTdH 4
Ihres Vaters«, fuhr Mr.
Garfield leichthin fort. »Ich habe einen Mann hingeschickt, der mit der
Renovierung der Kirche beginnen soll. Er hat sie mitgenommen. Sie folgten ihm
freudig, als ob sie gewußt hätten, daß es nach Hause ging. Ich mußte sie wegschicken,
weil mir mein Koch gedroht hatte, zu kündigen.«
»Vielen
Dank, daß Sie sie so gut behandelt haben«, sagte Daphne, die mit einemmal ihre
peinliche Lage vergaß, so überwältigt von Dankbarkeit war sie. »Sie mögen Sie
wirklich gern. Ich frage mich, wie Sie es ertragen konnten, sich von ihnen zu
trennen.«
»Es war
schmerzlich«, antwortete er feierlich, »aber sie haben viele Erinnerungsstücke
hinterlassen – einen zerbissenen Perser, einen zerkauten Schuh, viel geklautes
Essen, das für meine Gäste gedacht war, und die verschlissenen Nerven des
Kochs.«
»Ach du
liebe Güte. Sie sind sehr lebhaft, weil sie so jung sind«, sagte Daphne
ernsthaft. Sie sah zu ihm auf, während sie sprach.
Er
verlangsamte seinen Schritt und blickte zu ihr hinab. Ihre Wangen waren zart
gerötet, und ihr Haar, das unter einem Hauch von Häubchen herausguckte, war
schwarz und glänzte in der Sonne.
Die steife
Brise von der See preßte ihr Kleid eng an ihren Körper, und er empfand
plötzlich ein so starkes Verlangen, daß er selbst ganz überrascht war.
Er zwang
sich, obenhin über das, was in Brighton los war, zu plaudern, über die
verschiedenen Bälle und Gesellschaften und über den Prinzregenten, der immer
noch davon besessen war, Militäruniformen zu entwerfen. Der Dichter Tom Moore,
so erzählte Mr. Garfield, habe prophezeit, daß die nächsten politischen Ratgeber
diejenigen sein werden, die die Leidenschaft des Prinzregenten, Kleider zu
entwerfen, teilen.
Daphne
lachte, ein leises, melodisches Lachen, das Mr. Apsley dazu bewog, sich
beunruhigt umzudrehen und zu ihnen zurückzuschauen.
Mr.
Garfield hatte es inzwischen geschafft, Daphnes Arm zu nehmen.
Er
plauderte weiter, wie Brighton eine Art West End an der See geworden war – mit
halbstündlich verkehrenden Kutschen, den weitläufigen Promenaden, seinen
modernen Runddächern, Bogenfenstern und Kuppeln, seinen Bibliotheken,
Versammlungsräumen, Theatern und Badehäuschen. Alles, was Rang und Namen
hatte oder gerne hätte, hielt sich hier auf – und alle genossen das, was die
Annoncen als »Wasserfreuden« bezeichneten.
»Wie tief
können die Mächtigen sinken«, dachte Mr. Apsley schlechtgelaunt. Man stelle
sich Simon vor, wie er seine kostbare Zeit mit dieser dümmlichen kleinen Miss
vergeudet. Bald würde er in der Mausefalle des Pfarrers sitzen, genau wie all
die anderen. Junggesellen müssen zusammenhalten. Mr. Apsley empfand eine starke
Abneigung gegen Daphne. Diese Abneigung sollte gleich noch heftiger werden.
Er war
nämlich so in den Anblick der beiden vertieft, daß er nicht aufpaßte, wohin er
ging, und die Kinderwagenräder in die Beine einer stattlichen Matrone rammte,
die gerade den schönen Blick genoß. Sie schrie, Baby Julian schrie, Minerva kam
zurückgerannt, alle blieben stehen und starrten sie an.
Und unter
denen, die herumstanden und zuschauten, war auch eine junge Dame in einem
offenen Landauer, und diese junge Dame war niemand anderes als seine treulose
frühere Geliebte Kitty. Kitty saß da und kicherte beim Anblick von Mr. Apsley,
dem Stolz des »Four Hand Clubs«, der einen Kinderwagen schob.
Mr. Apsleys
Scham und Zorn kannten keine Grenzen. Es war alles die Schuld dieser
nichtswürdigen Daphne.
Lord
Sylvester war der einzige, der etwas Mitgefühl mit seiner demütigenden Lage zu
haben schien. Er nahm ihm den Kinderwagen ab und sagte: »Ist es nicht
erstaunlich, daß wir berühmten Pferdelenker keinen Kinderwagen lenken können?
Ich habe neulich Ihr Gespann gesehen. Das sind ja fabelhafte Graue, die Sie da
haben.«
Geschmeichelt,
daß er von dem distinguierten Lord Sylvester als ebenbürtiger Pferdelenker
bezeichnet wurde, vergaß Mr. Apsley seinen Kummer vorübergehend und begann
eifrig, alle die Leute zu
beschreiben, die er überboten hatte, um sich die Grauen zu sichern.
Und als er
sich dann auch noch in dem vornehmen Salon Lord Sylvesters ein Pint
eisgekühlten Champagner einverleibt hatte, befand sich Mr. Apsley wieder im
Einklang mit der Welt.
Zwar konnte
er sich immer noch nicht dazu überwinden, Daphne eine gute Seite abzugewinnen,
aber Minerva fand er sehr angenehm und ganz reizend. Zu seiner Entspannung trug
auch bei, daß sich Mr. Garfield gar nicht so
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