Daphne - sTdH 4
hoffen, daß Ihre Antwort ›ja‹ lautet, wenn ich seine
Zustimmung habe?«
Daphne
blickte zu seinen bernsteinfarbenen Augen auf. In ihnen war ein Glühen, das
jeden Nerv ihres Körpers zum Mitschwingen brachte.
Sie wußte
nicht, ob sie ihn liebte. Aber sie wußte, daß sie ihn vielleicht nie wiedersah,
wenn sie ihn jetzt zurückwies. Und diesen Gedanken konnte sie nicht ertragen.
Sie nickte
langsam mit dem Kopf.
Er zog ihre
Hand an seine Lippen und schlenderte dann die Straße hinunter.
Daphne
blickte ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war, und rannte dann ins Haus.
Sie mußte
auf der Stelle mit ihrem Vater sprechen.
»Merva! Wo
ist Papa?« rief sie, riß sich den Hut vom Kopf und schaukelte ihn an den
Bändern herum.
»Es tut mir
leid, aber Papa mußte nach Hopeworth. Er kommt so bald wie möglich zurück«,
sagte Minerva und schaute von ihrer Handarbeit auf. »Jemand hat Selbstmord
begangen. Die arme Miss Jenkins.«
»Ach du
liebe Zeit«, sagte Daphne. Miss Jenkins war eine alte Jungfer aus der Gemeinde.
Man wußte, daß sie sehr arm war, und jedermann hatte versucht, ihr zu helfen,
aber Miss Jenkins' Zurückhaltung und Stolz waren genauso groß wie ihre Armut,
und sie wollte keine Hilfe annehmen. In letzter Zeit war sie sehr merkwürdig
gewesen; sie war im Dorf herumgeirrt und hatte Selbstgespräche geführt.
Die
Vorschriften für das Begräbnis eines Selbstmörders stammten aus weniger
zivilisierten Zeiten, und trotz zahlreicher Proteste wurden sie nicht
aufgehoben. Der Selbstmörder mußte an einer Wegkreuzung begraben werden. Durch
seinen Körper wurde eine Stange gestoßen, um ihn an den Boden zu fesseln –
»Erde zu Erde« – und seinen verwirrten Geist auf diese Weise zu hindern, herumzuirren.
Obwohl Mr.
Pettifor, der Kooperator, sonst gern die Pflichten des Pfarrers übernahm, wenn
dieser in London weilte, scheute er vor dem Begräbnis eines Selbstmörders
zurück; beim letztenmal war er glatt in Ohnmacht gefallen.
Daher mußte
der Pfarrer so dringend nach Hause.
»Ich wollte
aber unbedingt mit Papa sprechen«, sagte Daphne. »Weiß du, Merva –«
»Du hast
noch gar nicht gemerkt«, unterbrach Minerva sie ruhig, »daß wir Besuch haben.«
Die
Jalousien waren heruntergelassen, so daß die hintere Ecke des Zimmers im
Schatten lag. Aus dem Schatten kam Mr. Cyril Archer. Seine Lippen waren zu dem
üblichen schönen Lächeln gekräuselt, und seine Augen waren so leer wie der
Sommerhimmel draußen.
Daphne
überlegte verzweifelt, ob sie Minerva um Hilfe angehen sollte, aber dann nahm
sie sich zusammen. Sie hatte Mr. Archer schließlich in seinem Glauben
bestätigt, daß sie heiraten würden. Jetzt mußte sie auch alleine mit der Sache
fertig werden. Sie mußte ihm so schonend wie möglich beibringen, daß es ihr
jetzt nicht mehr möglich war, ihn zu heiraten.
»Minerva«,
bat Daphne, »ich muß ein paar Minuten mit Mr. Archer unter vier Augen
sprechen, wenn es dir nichts ausmacht. Du kannst die Türe offen lassen.«
»Einverstanden«,
sagte Minerva und nahm ihre Handarbeit. »Ich bin im Frühstückszimmer, falls du
mich brauchst.«
Daphne war
ganz blaß, als sie Mr. Archer jetzt gegenübertrat. Er betrachtete mit
sichtlicher Genugtuung die polierten Spitzen seiner Stiefel.
»Ja, meine
Liebe?« Mr. Archer riß sich vom Anblick seiner Stiefel los und richtete seine
ausdruckslosen Augen auf Daphnes angespanntes Gesicht.
»Mr.
Archer, es bereitet mir Kummer und Schmerz, es Ihnen sagen zu müssen, aber ich
kann Sie nicht heiraten.«
Für den
Bruchteil einer Sekunde nahmen Mr. Archers Augen einen zugleich zornigen und
verschlagenen Ausdruck an. Es war, als schaute ein böses Gesicht aus dem
Fenster eines schönen Hauses. Dann war er wieder der alte mit dem leeren
Gesicht.
»Aber ich
fürchte, Sie müssen«, sagte er zum Kamin schlendernd über die Schulter hinweg
und nahm eine Porzellanfigur vom Sims. Er drehte sie um und betrachtete voller
Interesse den Stempel auf ihrer Unterseite.
»Sie müssen
mir jetzt wirklich zuhören«, sagte Daphne, die ärgerlich wurde. »Ich habe
nicht vor, Sie zu heiraten.«
»Aber Sie
müssen«, sagte Mr. Archer, der immer noch die Figur begutachtete. »Denn wenn
Sie es nicht tun, wird ganz London von der Schande Ihrer Familie erfahren.«
»Unsinn! Es
gibt keinen Skandal in unserer Familie.«
»O doch.
Einen sehr großen sogar. Wie, glauben Sie wohl, ist Ihre Schwester Annabelle zu
diesem Balg gekommen?«
Daphne
ballte die Fäuste und sagte mit harter
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