Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Daphne - sTdH 4

Daphne - sTdH 4

Titel: Daphne - sTdH 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
Gott, sie war ganz
schön knochig! Es war schon schwer genug, diese Stange reinzubringen, aber noch
verdammt schwerer, sie wieder rauszuziehen.«
    Der Pfarrer
hatte Miss Jenkins an diesem Nachmittag zur Genugtuung der Dorfbewohner, die
vollzählig erschienen waren, um der gespenstischen Szene beizuwohnen, in ihrem
unehrenhaften Grab beigesetzt. Hochwürden Charles Armitage hielt jedoch einen
Menschen, den Armut und Erniedrigung in den Tod getrieben hatten, beim besten
Willen nicht für sündhaft. Und so konnte er keine Ruhe im Bett finden, bevor er
nicht Miss Jenkins wieder ausgegraben, die grauenhafte Stange entfernt und
ihren Leichnam in einer ruhigen Ecke des alten Kirchhofs christlich bestattet
hatte.
    »Kutsche
auf der Straße«, zischte der Squire. »Bück dich.«
    »Nicht
nötig. Wir sind fertig«, sagte der Pfarrer. »Wenn jemand fragt, sage ich, ich
konnte nicht schlafen und kam hierher, um die Gräber zu pflegen.«
    Der Squire
kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, als die Kutsche
vorbeirollte.
    »Ich
glaube, es war ein Wappen auf der Kutsche«, stellte er fest. »Vielleicht kommt
eine deiner Töchter noch so spät.«
    »Ich hätte
in Brighton bleiben sollen«, grollte der Pfarrer. »Daphne und Garfield rochen
nach Frühlingserwachen, als ich wegfuhr. Aber ich spür's in den Knochen, daß
Daphne heimkommt.«
    »Ich würde
auch sehr gerne heimgehen, Charles«, sagte der kleine Squire. »Es tut meinem
Rheumatismus gar nicht gut, spät abends Gräber auszurauben.«
    »Hoffen
wir, daß wir es nicht noch einmal tun müssen«, sagte der Pfarrer düster. »Die
nächste alte Dame, die zu stolz ist, Essen anzunehmen, wird gestopft wie eine
Gans. Gute Nacht, Jimmy. Was hältst du davon, morgen zu uns zum Dinner zu
kommen?«
    Der Squire
unterdrückte einen leichten Schauder beim Gedanken an die Küche des
Pfarrhauses: »Das ist sehr lieb von dir, Charles, aber Ram kocht einen seiner
speziellen Currys.« Ram war der indische Diener des Squire.
    »Wirklich
scharf?« fragte der Pfarrer voller Begierde.
    »Sehr
scharf. Du bist herzlich eingeladen, es mit mir zu teilen.«
    »Das ist schön von
dir. Vielen Dank«, sagte der Pfarrer hocherfreut.
    Sie
trennten sich am überdachten Friedhofstor.
    Der Pfarrer
sah Lord Sylvesters Kutsche vor dem Pfarrhaus stehen.
    Die Lampen
im Salon brannten. Als er die Tür aufstieß, erhob sich Daphne, um ihn zu
begrüßen. Sie hatte vor Müdigkeit Schatten unter den Augen. Sie gab Betty ein
Zeichen, sich zurückzuziehen, und wartete, bis die Haushälterin, Mrs. Hammer,
das Teetablett abgesetzt hatte.
    »Hast du
Mrs. Armitage gesagt, daß du hier bist?« fragte der Pfarrer.
    »Nein, auch
Diana nicht. Ich bin sehr müde und möchte nur eine Tasse Tee und ins Bett. Aber
ich freue mich, dich zu sehen, Papa. «
    Der Pfarrer
ging zu ihr, um sie zu umarmen, blieb aber auf halbem Wege stehen, weil Daphne
in ihrem Sessel zurückschrak.
    »Faß mich
nicht an«, sagte sie ruhig und gefaßt. »Ich muß dich etwas fragen.«
    »Bitte«,
sagte der Pfarrer.
    »Ich habe
gehört, daß Annabelles Baby nicht von Brabington ist«, sagte Daphne und goß
sich scheinbar ganz ruhig ihren Tee ein.
    Der Pfarrer
sank schwer in seinen Stuhl. Daphne richtete ihre großen Augen auf ihn und sah
ihn lange forschend an. Innerlich betete sie verzweifelt, daß er aufschreien
und schockiert sein würde, daß er ihr sagen würde, daß sie Unsinn rede.
    Aber er
sagte eine Ewigkeit lang gar nichts. Dann brachte er schließlich heraus: »Du
weißt es also« und wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. »Nun«,
fügte er müde seufzend hinzu, »ich erkläre es dir besser.«
    Daphne
blickte voll furchtbarem Mitleid auf ihren Vater. »Nein, Papa«, sagte sie,
stellte ihre Teetasse ab, stand auf und ging zur Tür. »Die Angelegenheit ist
erledigt. Du kannst mir gratulieren. Ich heirate Mr. Archer.«
    »Aber
Daphne ...«
    Daphne ging
hinaus und schloß leise die Tür hinter sich.
    Der
Sommer war einem
kühlen Wind gewichen. Die See war stahlgrau. Alles war grau: der Himmel war
grau, die Häuser waren grau, die Menschen waren grau.
    Mr.
Garfield ging allein die Promenade in Brighton entlang.
    Wieder war
er bei Lord Sylvester gewesen. Und wieder war ihm nur gesagt worden, daß weder
Mr. Armitage noch Daphne zurückgekehrt seien.
    Sein Stolz
hielt ihn davon ab, Minerva zu fragen, ob Daphne ihr von seinem Heiratsantrag
erzählt hatte. Denn es war ein Heiratsantrag gewesen, dachte er wütend. Er
hatte ihr doch

Weitere Kostenlose Bücher