Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Daphne - sTdH 4

Daphne - sTdH 4

Titel: Daphne - sTdH 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
unten
leergeräumt; Betten, Kommoden und alles außer Ziermöbeln wurde weggeschafft,
um Platz für die Massen gutgekleideter Leute zu schaffen, die an der Tür des
Hauptraumes von der Dame des Hauses empfangen wurden, deren Aufgabe es war,
jeden Neuankömmling so anzulächeln, als wäre er ein seit langem vermißter
Freund.
    Niemand
saß; es gab keine Unterhaltung, keine Karten, keine Musik; »nur ein Schieben,
Drehen und Wenden von Raum zu Raum«. Nach einer Viertelstunde mußte man sich
die überfüllte Treppe wieder hinunterkämpfen, die man sich gerade erst hinaufgearbeitet
hatte, und dann stand man frierend auf der Schwelle und verbrachte mehr Zeit
mit den Lakaien als mit deren Herren im ersten Stock, während man darauf
wartete, daß die Kutsche vorfuhr.
    Um zehn Uhr
abends, als Lady Godolphin mit ihrer kleinen Gesellschaft aufbrach, begann für
die feine Gesellschaft Londons das eigentliche Leben. Alles, was vorausgegangen
war, war nur eine Ouvertüre zu diesem großen Moment.
    Denn die
Londoner Gesellschaft bewegte sich nicht vor vier Uhr nachmittags aus ihren
Häusern. Abgesehen von den Milchmädchen und den Straßenverkäufern war nur das
Trommeln und die Militärmusik der Garde zu hören, die aus ihren Kasernen im
Hyde Park kam; an ihrer Spitze schlugen vier riesige Neger die Becken.
    Nachdem sie
ihre Besuche abgestattet hatten und in der Bond Street spazierengegangen waren,
machten sich die feinen Leute gegen sechs Uhr auf den Weg nach Hause, um sich
zum Dinner umzuziehen. Um sechs Uhr wurden auch die Straßenlaternen angezündet
– eine lange Reihe von leuchtenden Punkten, die aber kaum etwas dazu beitrugen,
die Dunkelheit zu erhellen.
    Um acht Uhr
holperten dann die ersten Kutschen über das Kopfsteinpflaster, jede vorn mit
zwei flackernden roten Laternen versehen. Die Art und Weise, wie der Kutscher
abstieg und an die Tür klopfte, war eine wahre Kunst. Ein amerikanischer
Besucher, Louis Simond, beschrieb sie so: »Plötzlich anhaltend, springt der
Kutscher vom Bock, rennt zur Tür und hebt den schweren Türklopfer, klopft
einmal laut, dann mehrmals hintereinander leiser, dann mit aller Kraft – wie
auf einer Trommel wirbelnd, mit einer Kunstfertigkeit, einer Ausdruckskraft und
einer Zartheit des Anschlags, die dem Wert, dem Rang und dem Vermögen seines
Herrn entsprechen.«
    Es gab dann
eine zweistündige Pause, und um zehn Uhr wurde der Lärm der Kutschen auf dem
Kopfsteinpflaster ohrenbetäubend.
    Das Haus
der Brothers' erstrahlte in vollem Lichterglanz. Die Fensterläden waren offen,
die Vorhänge zurückgezogen.
    Daphne trug
die letzte Neuheit im Bereich der Hutmode, einen Akrostichon-Hut.
Das war ein Hut, der mit Seidenblumen geschmückt war, deren Anfangsbuchstaben
ihren Namen ergaben – nämlich Dahlie, Aster, Päonie, Hyazinthe, Narzisse und
Efeu. Ihr Kleid war aus blau-weiß gestreifter Gaze, und ihre bloßen Schultern
wärmte eine reich bestickte Musselinpelerine.
    Lady
Godolphin hatte ein enganliegendes Kleid aus leuchtend grünem Leinen an, das
tief genug ausgeschnitten war, um hinten und vorne viel zuviel zu enthüllen.
Ihren kurzen Hals zierten recht stumpfe Diamanten, und sie trug einen Turban
mit zwei gestreiften Federn, die darauf hin und her wippten, als ob sie nicht
dazugehörten – was im übrigen stimmte, denn Lady Godolphin hatte sie erst in
letzter Minute hineingesteckt.
    Mr. Archer
war äußerst korrekt in Kniehosen und Schwalbenschwanz erschienen. Den Chapeau
bras trug er unter den Arm geklemmt. Lady Godolphin versicherte ihm, daß
er wie eine Tonne aussähe – sie versuchte, »ton« französisch auszusprechen –,
was den Gentleman veranlaßte, entsetzt seine Vorderpartie zu begutachten, als
ob er erwartete, daß ihm über Nacht ein Spitzbauch gewachsen sei.
    Lady
Godolphin konnte nur staunen, wie sich ihre beiden Schutzbefohlenen durch die
Menge arbeiteten, scheinbar allem und jedem gegenüber gleichgültig.
    Als sie
sich gegen die Flut von Menschen, die nach oben strömte, wieder nach unten
kämpften, stand Lady Godolphin urplötzlich Colonel Arthur Brian, ihrem letzten
Liebhaber, der sie so herzlos um der Reize einer vulgären Frau aus der City
willen sitzengelassen hatte, Auge in Auge gegenüber.
    Sie
versuchte, sich mit abgewandtem Kopf an ihm vorbeizuzwängen und ihn zu
schneiden, aber in diesem Moment kam ein sehr dickes Paar auf gleiche Höhe, und
so wurde Lady Godolphin beinahe so eng wie eh und je an den Colonel gepreßt.
    »Ich meine,
wir kennen uns«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher