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Daphne - sTdH 4

Daphne - sTdH 4

Titel: Daphne - sTdH 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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einem der ihren ersparten, einen von beiden zu heiraten. Mr.
Archer strich unentwegt seine Weste glatt oder fum melte an seiner Halskrause
herum; und Miss Daphne überprüfte ständig ihr Aussehen in einem Handspiegel, um
sich davon zu überzeugen, daß nicht ein kleiner Fleck oder eine widerspenstige
Haarsträhne die makellose Vollkommenheit ihres Gesichts störte.
    Vor der
Kleinen Saison war sie trotz ihrer Schweigsamkeit wenigstens reizend gewesen,
sie hatte etwas Kindliches und Anmutiges in ihrem Wesen. Jetzt wirkte sie, als
ob alles Leben aus ihr gewichen wäre.
    Mr.
Garfield, der sich für kurze Zeit von seiner Arbeit in der City freigemacht
hatte, um einen letzten Blick auf seine Liebe zu werfen, stieß einen Seufzer
der Erleichterung aus, und er gratulierte sich, weil er um Haaresbreite
entkommen war. Trotzdem sehnte er sich nach dem hübschen, lebhaften Mädchen,
von dem er geglaubt hatte, daß er es liebe. Er sagte ein paar traurig klingende
Worte über ihr glänzendes Aussehen und kehrte mit dem Gefühl, an einem
Begräbnis teilgenommen zu haben, zu seinen aufreibenden Verpflichtungen
zurück.
    Der
enttäuschte Pfarrer hatte seine Hände in Unschuld gewaschen. Zwar hatte er
Gott versprochen, daß Daphne den Mann ihrer Wahl heiraten dürfe. Aber Mr.
Armitage konnte das Gefühl nicht loswerden, daß Gott einen absonderlichen Sinn
für Humor hatte; und wieder einmal waren seine Gebete mechanisch, und die
Schönheit eines kalten, frischen Morgens berührte ihn nicht mehr.
    Minerva war
ebenfalls von Daphne enttäuscht, aber nicht allzu überrascht. Sie hatte Daphne
nie sehr gut kennengelernt, da sie mehr mit den älteren Mädchen beschäftigt
gewesen war. Minerva stellte an sich selbst und andere noch immer sehr hohe
Ansprüche und dachte, daß jemand, der so eitel wie Daphne war, nur bemerkenswert
wenig Vernunft haben könne. Es war ganz gut, daß Daphne die Beziehung zu dem
undurchschaubaren Mr. Garfield nicht vertieft hatte. Er war viel zu vital und
maskulin, um auf die Dauer mit einer hübschen Puppe leben zu können.
    Lady
Godolphin war die einzige, die sich fragte, ob nicht etwas wirklich Ernstes
Daphne Sorgen bereitete. Daphne sollte erst im nächsten Jahr heiraten – Mr.
Archer war ganz zufrieden mit der Verlobung –, und es wurde nicht viel
Aufhebens von ihrem Debüt in der Kleinen Saison gemacht, da sie ja bereits in
festen Händen war. Niemand, der bei Sinnen war, gab viel Geld für eine Tochter
aus, die schon unter der Haube war.
    Der Pfarrer
und Mrs. Armitage waren zusammen mit Diana und Frederica
in Hopeworth geblieben. Daphne wohnte bei Lady Godolphin am Hanover Square.
Man hatte Lady Godolphin Geld geschickt, damit sie Daphne als Anstandsdame zu
den verschiedenen gesellschaftlichen Ereignissen begleitete, da Minerva und
Annabelle zu sehr von ihren kleinen Kindern in Anspruch genommen waren.
    Lady
Godolphin fand ihre Aufgabe nicht sehr anstrengend. Mr. Archer kam immer
pünktlich und bewundernswert angezogen, um Daphne abzuholen, die ebenfalls
immer pünktlich und wunderschön angezogen war; und dann begleitete sie die
beiden zu der Gesellschaft oder dem Ball, die sie für sie ausgesucht hatte, da
beide keine eigenen Wünsche zu haben schienen.
    Sie
pflegten fast wortlos aufzubrechen, nachdem die jetzt ständig verbitterte und
mürrische Betty Daphne beim Ankleiden geholfen und ihr das Haar frisiert
hatte.
    Während der
ersten Woche in London hatte Daphne eines Nachts einen kleinen Aufruhr
verursacht, als sie im Schlaf schrie. Angeblich war sie durch Insekten
erschreckt worden. Lady Godolphin ließ daraufhin Daphnes Zimmer unter einer
Wolke von Keating-Puder begraben, um das Mädchen zu beruhigen.
    Was aber
Lady Godolphins Sinne für Daphnes eigentlichen Kummer schärfte, war die
Tatsache, daß sich Ihre Ladyschaft von neuem verliebte. Und nichts macht
hellhöriger als unerwiderte Liebe.
    An diesem
Abend sollten sie an einer Gesellschaft im Hause der Brothers' am Portland
Square teilnehmen. Lady Godolphin ging neuerdings selten zu solchen
Gesellschaften, weil sie sie für Zeitverschwendung hielt. Vielleicht dachten
auch andere Mitglieder der Londoner High Society so, aber das hielt sie nicht
davon ab, in hellen Scharen aufzutreten.
    Und diese
Gesellschaften waren auch wirklich sehr anstrengend und ziemlich verrückt, auch
wenn auf der Einladung schlicht stand, daß der und der dann und dann zu Hause
sein werde.
    Das Haus,
in dem eine Gesellschaft stattfinden sollte, wurde von oben bis

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