Darf ich meine Oma selbst verbrennen?
kann es jederzeit zu Schneefall kommen.«
»Der stirbt nämlich immer Weihnachten.«
»Wer?«
»Na, mein Vater!«
»Wie bitte?«
»Ja, der ist letztes Jahr auch an Heiligabend gestorben, da hat er sich aber wieder bekrabbelt.«
»Aha.«
»Aber wenn Sie Winterreifen haben, dann bin ich beruhigt.«
»Also, wie gesagt, wir haben Winterreifen, und bis jetzt sind wir immer noch überall hingekommen.«
»Sie kommen auch an Weihnachten, newahr?«
»Ja, selbstverständlich.«
»Das ist ein Theater mit dem, vor zwei Jahren hat er’s an Ostern mit der Lunge gekriegt und das ist ja so ähnlich wie Weihnachten.«
»Sicher.«
»Aber jetzt wird’s ihn erwischen, hat der Arzt auch gesagt.«
»Also, wie ich schon sagte. Wenn es so weit ist, rufen Sie einfach an.«
»Ach, jetzt geht’s mir schon viel besser.«
»Wiederhören.«
»Wiederhören.«
Ich guck mal eben
Nur in seltenen Fällen holt der Bestatter einen Verstorbenen mit dem Sarg ab. Die modernen Treppenhäuser lassen das oft gar nicht zu. Viel praktischer ist da die Leichentrage: eine Trage, nicht ganz unähnlich denen, die auch im Krankentransport verwendet werden.
Aber wenn die Angehörigen darauf bestehen, kommt der Bestatter natürlich auch mit dem Sarg.
21 Uhr, das Telefon klingelt.
»Möckler, Tach!«
»Guten Abend.«
»Sagen’se mal, wenn so einer stirbt, kommen Se dann auch nachts?«
»Selbstverständlich …«
»Also, Sie kommen dann und holen den Toten?«
»Ja, sicher …«
»Mittem Sarch?«
»Normalerweise mit einer Trage, aber wenn Sie eine Überführung mit Sarg wünschen, geht das auch.«
»Ja, sicher, mittem Sarch!«
»Kein Problem, wer ist denn verstorben?«
»Verstorben? Hier? Noch gar keiner! Die ist aber bald so weit. Is’ die Schwiechermutter, liecht ganz schlecht.«
»Vielleicht rufen Sie am besten nochmals an, wenn es so weit ist.«
»Dann isses zu spät!«
»Zu spät wofür?«
»Für datt mittem Sarch!«
»Wie bitte?«
»Ja, ich will, dat Se mittem Sarch kommen und mal kucken, ob der Sarch auch durch et Treppenhaus passt.«
»Ist Ihr Treppenhaus denn besonders eng?«
»Nee, datt nich, aber da steht’en Aquarium auf’em Treppenabsatz, also so im Treppenhaus, und Blumen.«
»Also, wir brächten dann einen Sarg und eine Trage mit und können dann ja vor Ort entscheiden, was am besten geht.«
»Datt is ’ne gute Idee. Ich geh’ jetzt mal kucken, bleiben Se mal dran, vielleicht isse schon tot.«
»Dann müssten Sie sowieso erst noch den Arzt rufen.«
»Arzt? Wieso datt denn? Die is’ dann doch tot und nich krank, oder?«
»Der Arzt muss den Tod feststellen.«
»Kann ich selber, brauch ich kein Arzt für, kost’ bloß Geld.«
»Muss aber sein …«
»Ja, ja, so sind’se, auch im Tod noch abkassieren, die Dokters!«
»Also …«
»Nee, nix also … Ich geh’ jetzt mal kucken, ob’se tot is …«
War se aber noch nich.
Wir haben dann einen Tag später ganz normal mit der Trage überführt.
Haben Sie auf?
Wie ich schon berichtete: Bestatter haben immer Dienst, rund um die Uhr, das ganze Jahr, an Sonn- und Feiertagen und natürlich auch am Wochenende. Heutzutage ist das kein Problem mehr, seitdem man jedes Telefonat aufs Mobiltelefon umleiten lassen kann. So ist man immer dienstbereit und kann die Gespräche entgegennehmen, egal, wo man gerade ist.
Aber dauernd dienstbereit zu sein, das bedeutet nicht gleichzeitig, dass man auch ständig im Büro anwesend ist. Man hat es ja nicht nur mit Leuten zu tun, die einen neuen Sterbefall melden möchten, sondern auch mit denen, die wegen nicht so aktueller und eiliger Dinge vorsprechen wollen oder die einfach nur zum Quatschen kommen.
Da ruft also ein Kunde an und will wissen:
»Sagen Sie mal, haben Sie samstags auch auf?«
»Nein, am Samstag sind keine normalen Bürostunden, aber wenn was anliegt, ist immer jemand erreichbar.«
»Also haben Sie zu?«
»Ja.«
»Nicht auf?«
»Nein.«
»Zu?«
»Jahaa.«
»Meine Güte, man wird ja wohl mal fragen dürfen.«
»Aber sicher doch.«
»Machen Sie sich gerade über mich lustig?«
»Nein.«
»Dann ist ja gut.«
»Ja.«
»Was?«
»Ich sagte ›Ja‹.«
»Warum?«
»Nur so.«
»Aha.«
»Genau.«
»Sie verwirren mich! Ich wollte doch nur wissen, ob Sie auf haben, und jetzt bin ich verwirrt.«
»Das tut mir leid, das lag nicht in meiner Absicht.«
»Offen oder zu?«
»Zu.«
»Aha.«
Weihnachten
Zum vorherigen Anruf passt auch prima der folgende. Da möchte jemand etwas
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