Darf ich meine Oma selbst verbrennen?
Unterlagen auf den Tisch und notiere im Stillen, dass ich zu Hause alles wieder abwaschen muss, denn der Küchentisch der Familie Peters muss seit Generationen der Zubereitung von zuckrigen, klebrigen und gleichzeitig fettigen Speisen gedient haben, ohne auch nur ein einziges Mal abgewischt worden zu sein. Jedenfalls kann ich meine Kunststoffmappen nicht auf der Resopal-Oberfläche hin und her schieben, sondern muss sie immer erst anheben, bis sie sich schmatzend vom klebrigen Untergrund lösen. Ich versuche es zwar zu vermeiden, dass ich mit den Handgelenken oder den Händen an die Tischoberfläche komme, doch merke ich nach kurzer Zeit, dass meine Finger zusammenkleben, so als würden mir Schwimmhäute wachsen.
Ich bin gerade dabei, den Katalog mit den schönsten Sarggestecken über den Tisch zu schmatzen, da springt der Dackel neben mich auf die Eckbank und macht einen krummen Rücken. Mit den Füßen scharrt er sich ein Stück von der Wolldecke zu einem Klumpen zusammen und beginnt, sich mit rhythmischen Bewegungen an der Decke irgendeine Form von Erleichterung zu verschaffen. Jedenfalls verdreht er voller Wonne die Augen und hechelt ein glückliches und kurzatmiges Keuchen aus seinen Lungen hervor.
»Nich’ dran stören, datt macht der immer mittachs, datt braucht der zweima’ am Tach«, sagt Herr Peters, und ich erwidere angewidert: »Aber doch bitte nicht direkt neben mir! Können Sie das Tier nicht runtertun?«
Frau Peters ist entsetzt ob meiner mangelnden Tierliebe, meiner grausamen Ablehnung der Annäherungsversuche ihres dauergeilen Wursthundes und meiner klaren Worte: »Na hören Se mal, der macht datt jeden Tach ein paarmal, der Saruman is datt so gewöhnt, Sie sitzen ja schließlich auch auf seine Decke.«
Ich notiere weiterhin im Stillen: »Anzug in die Reinigung bringen, duschen – aber mit Chlor!«
Ganz plötzlich fällt mir ein, dass ich ganz wichtige Unterlagen vergessen habe. Ich packe meinen schmatzenden Kram zusammen und mache mit den Peters auf der Stelle einen Termin bei uns im Büro aus.
»Können’wer den Saruman mitbringen?«
Nein, können sie nicht, ich sagen denen, dass unser Hund fast vierzig Kilo schwer ist und mit Vorliebe Dackel verspeist.
»Dann kommen’wer eben ohne unser Schätzelken, ne Saruman, dann bleibste ein Moment alleine, wenn wir bei den Onkel sind. Ja, mein Dickerchen, du bist ein ganz Feiner!«
Geheimpolizei
Frau Tietze heißt eigentlich gar nicht Frau Tietze, sondern Frau Herzog. Das kommt in erster Linie daher, dass sie mit dem Herrn Herzog verheiratet war. Der ist jetzt tot und ihm ist das alles egal. Manch einem ist so was aber nicht egal, und der wird jetzt vielleicht sagen, dass Tietze ja eventuell der Mädchenname der Frau Tietze-Herzog sein könnte.
Ist aber nicht so. Frau Tietze ist eine geborene Semmelback. Aber ihre Mutter war eine geborene Tietze, und genau da nimmt sie sich diesen Namen her.
Ja, sie nimmt ihn sich her, sie heißt tatsächlich ganz echt Herzog mit Nachnamen, und so stellt sie sich natürlich auch jedermann vor: »Tach, ich bin die Frau Herzoch.«
Und wo kommt jetzt das Tietze-Gedöns ins Spiel?
Genau hier:
Also, Frau Herzog hat ihren Mann verloren und war mit mir auf dem Friedhof, wo der Gute in seiner kühlen Zelle liegt und auf die letzten Akte der Abschiednahme wartet. Sie wollte da nicht alleine hin, also habe ich die Frau begleitet und anschließend nach Hause gebracht.
Ich bringe sie bis zur Haustür und will mich gerade verabschieden, da legt sie den Zeigefinger der rechten Hand vor den gespitzten Mund und macht »Pscht!«
Ich verharre kurz, warte, und sie schließt ganz vorsichtig auf.
»Warten Se mal kurz.«
Ich nicke.
Auf was lauert sie? Auf irgendein Haustier? Auf Einbrecher?
Sie tastet nach dem Lichtschalter, und als das Licht angeht, tritt sie zwei Schritte ins Haus und bleibt wieder stehen. Nun ruft sie: »Hier ist die Frau Tietze, nicht die Frau Herzog!«
Dann dreht sie sich zu mir um und sagt: »So, jetzt können Se gehen.«
Nein, kann ich nicht. Ich will wissen, was es mit diesem Tietze-Herzog-Gedöns auf sich hat.
Warum ruft jemand so was in ein leeres Treppenhaus?
»Weil da die Gestapo unter meiner Treppe wohnt, also jetzt nicht in echt, aber die sind da drin, und die warten auf mich und wollen mich holen. Die warten aber auf mich, nur auf mich, und wenn ich denen sag, ich wär die Frau Tietze, dann wissen die ja nicht, dass ich das bin, und lassen mich nach oben gehen. Sonst kommen die aus
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