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Darf ich meine Oma selbst verbrennen?

Darf ich meine Oma selbst verbrennen?

Titel: Darf ich meine Oma selbst verbrennen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wilhelm
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ich seh’ doch so aus wie
der.
«
    »Wie wer?«
    »Na, überlegen Sie doch mal!«
    Doch so sehr ich auch überlegte und schaute, mir fiel partout niemand ein, der aussieht wie Wörpel, außer eben Wörpel selbst.
    »Das müssen Sie doch aber sehen,
der
ist ganz bekannt. Ich sag nur Fernsehen …«
    Herr Wörpel hält sich die rechte Hand vor den Mund, und hinter der Hand klingt seine Stimme dumpf hervor:
    »Jetzt! Gucken Sie mal jetzt und denken Sie sich den Mund mal weg! Na?«
    »Immer noch nicht«, gebe ich zu.
    »Moment mal, und jetzt?« Wörpel hat sich mit der linken Hand die Haare nach hinten gedrückt und rollt mit den Augen: »So, jetzt mal ohne Haare, also nur hier vorne, die müssen Sie sich wegdenken … Früher hatte der mal mehr Haare.«
    Müsste ich Herrn Wörpel beschreiben, dann könnte ich sagen, dass er aussieht wie eine Mischung aus Franz Beckenbauer und Franz Josef Strauß. Aber selbst die zur Beschreibung herbeigezogenen Prominenten reichen nicht aus, um ihn wirklich zu beschreiben. Die Nase hat er eindeutig von Inge Meysel, und die wird er ja wohl kaum meinen, denn er spricht ja immer von
ihm.
    Er nimmt die Hände vom Kopf und klatscht mit der flachen Hand auf den Tisch: »Na los! Strengen Sie sich doch mal an. Mensch, andere Leute sprechen mich auf der Straße an, ob ich nicht wer Berühmtes bin.«
    »Da kann ich mich anstrengen wie ich will, ich komme beim besten Willen nicht drauf«, sage ich, und um ihn nicht zu brüskieren, füge ich hinzu: »Aber tatsächlich, Sie haben da so was Berühmtes an sich.«
    »Ne, stimmt, oder?«
    »Ja, ja, gewiss.«
    »Und?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Gut, dann sag’ ich’s jetzt.«
    »Meinetwegen, ich bin schon ganz gespannt.«
    »Aber dann nicht lachen, ja?«
    »Bestimmt nicht!«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein, Ehrenwort.«
    Er wendet sich ab, so dass ich sein Gesicht nicht sehen kann, fasst in die Anzugtasche und fummelt an irgendwas herum.
    Eine Sekunde später dreht er sich zu mir um und hat eine Sonnenbrille auf, und mir schießt es durch den Kopf, ich weiß es in dieser Sekunde und sage ganz spontan: »Wolfgang Sauer!«
    Enttäuscht nimmt er die Brille ab, und es liegt ein entsetztes Erstaunen in seiner Stimme, als er fragt: »Wer ist das denn?«
    »Ein ganz berühmter Schlagersänger.«
    »Kenn’ ich nicht.«
    Ich versuche abzuschätzen, wie alt Herr Wörpel ist, und komme mir mal wieder ganz fürchterlich alt vor. Immerhin lebt Wolfgang Sauer noch …
    »Jetzt gucken Sie aber nochmal!« Wieder setzt er die Sonnenbrille auf, bleckt dabei die Zähne und hält sich mit der einen Hand die Haare aus der Stirn.
    Ich winke mit beiden Händen ab, schüttele energisch den Kopf und sage: »Schluss damit! Spannen Sie mich nicht weiter auf die Folter. Bitte!«
    Er holt tief Luft und schaut sich um, so als wolle er sicherstellen, dass ihn kein anderer hören kann, und sagt mit gesenkter Stimme zu mir: »Stevie Wonder.«
    Ich glaube, ich saß minutenlang mit offenem Mund da. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
    »Sti… Sti…«, stammele ich, und Herr Wörpel nickt begeistert, dreht und wendet sich und freut sich sichtlich, dass nun auch ich ganz spontan die verblüffende Ähnlichkeit zwischen seinem bärtigen bajuwarischen Quadratschädel und dem schwarzen amerikanischen Sänger entdeckt habe.
    Nun ja, sind wir mal ehrlich, eher sieht ein leerer Bierkasten aus wie Claudia Schiffer, als dass dieser Mann auch nur im Entferntesten eine Ähnlichkeit mit Stevie Wonder hat. Aber offensichtlich glaubt er das ganz fest und ist auch noch fürchterlich(erweise) stolz darauf. Was soll ich also sagen?
    Ich sage: »Verblüffend!«
    »Nicht wahr?«
    »Sicher.«
    Unterm Tisch presse ich mit aller Kraft meine Fingernägel in die schmale Fuge, die mein Übergewicht rund um meine Kniescheiben gelassen hat. Ich will mir selbst Schmerzen zufügen, ich brauche diesen Schmerz, sonst breche ich so laut und lang anhaltend in Gelächter aus, dass es den Mann beleidigen würde.
    Trotzdem will es mir die Atemorgane hochglucksen, und ich muss alle Energie aufbringen, um meine Gesichtszüge in halbwegs erschlafftem Zustand zu halten.
    »Jetzt, wo Sie’s sagen«, sage ich und beschließe, mich sofort krampfhaft meinen Papieren zuzuwenden, sonst bekomme ich doch noch einen Lachkrampf. Und wenn ich mal einen Lachanfall bekomme, dann heißt das, dass sich deutlich über hundert Kilo Mensch auf dem Boden herumkringeln.
    Während ich mit starrem Blick mein Formular betrachte und

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