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Darf ich meine Oma selbst verbrennen?

Darf ich meine Oma selbst verbrennen?

Titel: Darf ich meine Oma selbst verbrennen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wilhelm
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aufmunternd zu.
    Nun ergreift sie das Wort und sagt: »Ja, das ist so, wir hätten gerne …«
    Er unterbricht sie und setzt den Satz fort: … »gewusst, ob wir unseren Opa nackt beerdigen können.«
    »Nackt?« frage ich zurück, und beide nicken heftig und machen ganz gespannte große Augen.
    »Also ganz ohne was an, ohne Kleidung?«, erkundige ich mich nochmals und lege mir im Kopf schon die Antwort zurecht.
    Die Schlotthauers nicken, fassen sich gespannt an den Händen und erwarten wohl, dass ich ihnen jetzt Schwierigkeiten mache.
    Doch weit gefehlt, denn dieser Wunsch wird nicht das erste Mal an mich herangetragen, und wir hatten schon den einen oder anderen Nudisten, der in seinem letzten Willen verfügt hatte, er wolle unbedingt nackt beerdigt werden.
    Warum sollte das nicht gehen? Nackt sind wir auf die Welt gekommen, warum also sollte man nicht auch nackt von dieser Welt gehen dürfen?
    Gut, so viel ist klar, falls die Familie eine Aufbahrung mit offenem Sarg wünscht, wird eine Decke den nackten Körper bedecken, das gebietet der Anstand. Aber sonst steht diesem Wunsch nichts im Wege.
    Mit so etwas können die Schlotthauers mich nicht sprachlos machen.
    »Das ist überhaupt kein Problem«, sage ich dem Ehepaar, lehne mich zufrieden in meinem Sessel zurück und warte auf die Reaktion.
    Die sollte nun in Zufriedenheit und Erleichterung bestehen.
    Doch die Schlotthauers sind verwirrt.
    »Ja, ehrlich jetzt?« fragt Frau Schlotthauer. »Weil wir nämlich schon beim Friedhofswärter angerufen haben und uns erkundigt haben.«
    Herr Schlotthauer fügt hinzu: »Und der hat gesagt, dass so ein Schweinkram bei ihm nicht in die Tüte kommt, so was habe er ja noch nie gehört, und außerdem sei das ja sowieso um diese Jahreszeit viel zu kalt.«
    Ja, ja, die Friedhofsverwalter … denke ich und stelle mir vor, wie der dicke, immer schwitzende städtische Bedienstete auf unserem hiesigen Friedhof in seinem überhitzten winzigen Büro hockt und einen solchen Anruf von Angehörigen bekommt. Alles, was von der Norm abweicht, was nicht nach Schema F abläuft, ist ihm zunächst einmal suspekt.
    »Machen Sie sich keine Gedanken«, sage ich zu den Schlotthauers, »das geht den Friedhofsverwalter gar nichts an. Wie Ihr Opa in seinem Sarg liegt, das hat den gar nicht zu interessieren und außerdem … um es mal ganz offen zu sagen, die Kälte, die um diese Jahreszeit auf dem Friedhof herrscht, die dürfte dem Verstorbenen am allerwenigsten ausmachen.«
    »Ich glaube, Sie verstehen uns nicht«, meldet Frau Schlotthauer Zweifel an.
    »Doch natürlich, Sie möchten Ihren Opa nackt beerdigen.«
    »Genau!«
    »Ja, davon rede ich doch auch. Er hat dann im Sarg nichts an.«
    »Stimmt, der war … das heißt, wir sind alle im Nudistenverein ›Zur freien Sonne‹, und unser Opa war dort so etwas wie der Vordenker, und deshalb wollen wir ihn standesgemäß beerdigen.«
    »Nackt.«
    »Ja, eben.«
    »Sag ich doch, der hat dann nichts an.«
    »Ja, der auch nicht.«
    »Wie, der auch nicht?«
    »Ja, der Opa soll schon nackt sein, da haben Sie recht, aber …«
    »Aber was?«
    »Wir wollen den Opa nackt beerdigen.«
    »Das habe ich verstanden.«
    »Nee, haben Sie nicht.
Wir
wollen ihn nackt beerdigen.«
    »Wie, wir?«
    »Ja, also, wir hätten dann auch alle nix an.«
    »Wie jetzt, alle nackt?« Vor meinem inneren Auge sehe ich eine ganze Trauergemeinschaft von Nackten. Allmählich verstehe ich den Friedhofsverwalter, und jetzt haben es die Schlotthauers tatsächlich geschafft, mich doch für ein paar Sekunden sprachlos zu machen.
    »Ja, wir wären dann alle nackt, das würde unserem Vereinsgedanken und unseren Idealen entsprechen.«
    »An wie viele Nackte hätten Sie denn da so gedacht«, erkundige ich mich; weniger um die Zahl zu erfahren, als vielmehr, um etwas Zeit zu gewinnen.
    Frau Schlotthauer steht auf, beginnt ihren Mantel aufzuknöpfen und sagt dabei: »So fünfundzwanzig Personen würden da kommen, wir haben daheim schon eine Liste gemacht.«
    »Hören Sie auf, hören Sie bitte auf«, sage ich, als ich merke, dass die Frau unter ihrem Mantel offensichtlich nichts anhat. Sie ist etwas enttäuscht, das merkt man, aber sie setzt sich wieder.
    Inzwischen habe ich meine Fassung wiedergefunden und erkläre dem Ehepaar Schlotthauer, dass das nun wirklich nicht geht. Man kann nicht mit fünfundzwanzig nackten Leuten eine Beerdigung auf einem öffentlichen Friedhof abhalten.
    Ob der Verstorbene in seinem Sarg nun ein dünnes

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