Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
täuschen lassen?
»Sie schreibt auf, was ihr Azrael eingibt. Die Geburts- und Sterbedaten von allen Menschen. Sie ist in Trance. Sie schreibt und schreibt und schreibt. Hinterher hat sie keine Erinnerung mehr daran, sie wird nicht merken, wenn du an einem dieser Blätter etwas änderst. Vertrau mir. Bitte. Wir müssen es versuchen.« Oh, Ernestine. Was, wenn nicht? Wenn sie sich doch erinnert? »Du wirst ein Sterbedatum wählen und die dazugehörigen Geburtskoordinaten in deine Geburtskoordinaten ändern. Danach verschwindest du für immer und keiner von den Dunklen wird an deinem Tod zweifeln.«
Der Mensch, dessen Todestag sie gelöscht hat, wird trotzdem sterben, aber die Dunklen werden es nicht merken, sie werden nur auf das Todesdatum von Emma achten.
… Gegen Zweifler wird sie unbeugsam sein, furchtlos wahren Täuschung und Schein…
»Woher wollt ihr wissen, dass ich damit gemeint bin, dass wir gemeint sind?« Sie hatte ihre Schwester und ihre Großmutter angeschrien, voller Angst, das Schweigen der beiden hatte sich in ihr Herz gebohrt und sie hätte sich nichts mehr gewünscht, als dass Victoria den Weg gegangen wäre, den alle Hüterinnen gehen. Dass sie sich nicht vom Orden gelöst hätte und nun die Schwesternschaft hinter ihnen stehen würde. Doch sie waren allein.
»Ihr wisst es nicht«, hatte sie schließlich gesagt und Ernestine hatte sie umarmt, lange und endgültig.
»Hab keine Angst«, hatte Ernestine geflüstert, »Lilli-Thi wird dein wahres Todesdatum in Trance schreiben, ein Datum, das weit in der Zukunft liegt. Deine Änderungen haben keine Bedeutung, aber sie werden dein Leben retten, dich retten, für den Tag, an dem du gebraucht wirst.«
Sie nimmt einfach irgendein Datum, sie benetzt ihren Finger mit Spucke und wischt darüber. Dann über die Koordinaten, ihr Herz rast, während sie nach Lilli-This Federhalter tastet und damit ihren eigenen Tod auf das Papier bannt. Dann sitzt sie da, mit zitternden Händen und einem winzigen Keim Hoffnung im Herzen. Nur eine Täuschung, es ist nur eine Täuschung, um die Engel hinzuhalten.
»Emma!«, hört sie Cheb, »beeil dich! Sie wird jeden Moment zurück sein.«
»Emma!« Sie fährt hoch und spürt erneut den Schmerz in ihr Bein fahren, heiß und wild. Sie tastet nach der Wunde, niemand hat sie verbunden, aber sie haben sie zurück in den Wagen geschleppt. Nur dumpf erinnert sie sich an die ersten Stunden, in denen sie versuchte, die Blutung zu stillen, ihr Blut träge machte, ihren Herzschlag langsam. Sie durfte nicht an Chakal denken, denn der Gedanke an ihn ließ ihr Herz schlagartig schneller schlagen, weil sie ihn hasste. Sie hasste seine gedrungene, muskulöse Gestalt. Sein Lächeln, das so kalt sein konnte, aber auch vereinnahmend, genauso wie Chebs. Sie hasste die Lässigkeit, mit der er das Gewehr in der rechten Hand hielt, kurz nachdem er ihr ins Bein geschossen hatte. Ein glatter Durchschuss, sie hatte Glück, sie würde daran nicht sterben. Aber genauso wenig würde sie laufen können. Und das wusste er.
»Emma!«
Sie hatte sich nicht getäuscht. Jemand ruft sie bei ihrem Namen, so wie schon lange nicht mehr. Sie setzt sich auf und presst ihren Rock gegen den Oberschenkel, dann besinnt sie sich, reißt einen Streifen ab und knotet ihn fest. So kann sie aufstehen und zum Fenster hinüber. Es ist mitten in der Nacht. Welche Nacht? Wie lange hat sie so dagelegen? Das Feuer brennt immer noch, jetzt lodert es hell und taucht den Platz zwischen den Wagen in flackerndes Licht. Sie sieht Chakal und Amoroq, den ersten Jäger, Iye und Chilali, Chakals jüngere Brüder, und noch einige vom Rudel, deren Namen sie nicht kennt. Und dann sieht sie Dusk. Er ist gekommen, um sie zu holen. Die anderen Wölfe umkreisen ihn, ihn, der als einziger seine menschliche Gestalt hat, als Mensch zum Rudel gekommen ist, ohne Waffen, um für sie zu bitten. Sie trommelt gegen die Tür.
»Dusk!«, schreit sie, gegen jede Vernunft.
Die Wölfe lassen ihn nicht zu Wort kommen, sie wollen nicht hören, was er ihnen zu sagen hat.
Sie wirft sich gegen das Holz, während von draußen Geräusche des Kampfes zu ihr hineindringen.
»Wie könnt ihr so grausam sein!«, schreit sie. »Wie könnt ihr jemanden angreifen, der in guter Absicht zu euch kommt? Wie könnt ihr die Gesetze des Rudels so verletzen? Wie könnt ihr den Vertrag brechen? Wie könnt ihr alles verraten, für das eure Väter gekämpft haben …?«
Ihre Schreie mischen sich mit dem heulenden Gesang der
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