Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Wölfe. Sie schleppen ihn fort, sie zerren ihn über den Boden wie den Kadaver eines Tieres, das sie ihren Jungen zum Balgen überlassen, und Dusk verwandelt sich nicht.
29
Dawna
D urch die Windschutzscheibe sehe ich links und rechts den Schnee wegspritzen, er türmt sich meterhoch neben der Straße und ich habe das Gefühl, Chuck fährt nur auf gut Glück. Aber er orientiert sich an den Stangen, die jemand vor wenigen Tagen in den Schnee gerammt haben muss, als man noch erkennen konnte, wo die Straße verlief. Das blinkende orange Licht auf dem Dach wirft Lichtreflexe in die Dunkelheit.
»Also ich würde Beebee nicht erlauben, in den Club zu gehen«, Chuck wirft mir einen Seitenblick zu, wartet aber nicht auf eine Antwort, »sie ist ein gutes Mädchen. Nicht wie ihre Mutter.«
Ich ziehe meine Jacke enger um mich, obwohl mir das Gebläse ständig heiße Luft ins Gesicht pustet. Die letzten Tage waren die Hölle. Der Schlafmangel hat mich so mürbe gemacht, dass ich nur noch heulen könnte, und ich weiß, dass mich meine Augenringe aussehen lassen wie ein Heroinopfer, aber ich bin zu erschöpft, um mir weiter darüber Gedanken zu machen. Die einzigen Gedanken in meinem Kopf sind, dass die Zeit verrinnt. Dass Dusk nicht zurückgekommen ist. Und dass ich das Messer selbst holen muss.
»Ich sollte dich da gar nicht hinbringen«, sagt er, »aber du bist ja nicht mein Kind. Mein Kind würde ich eher einsperren.«
Meine Hände zittern. Ich verkneife mir einen Kommentar und starre hinaus in die Nacht. Es hat aufgehört zu schneien und die Kälte macht, dass man ungefähr eine Million Sterne am Nachthimmel entdecken kann.
»Weiß deine Mutter, was du so treibst?«
Chuck schiebt sich einen Krümel Granger Select in den Mund. Der Geruch des Kautabaks bringt meinen Magen zum Rotieren. Vielleicht hätte ich doch den Teller mit Brei essen sollen, den mir Miss Anderson ans Bett gestellt hatte. Aber dann ging alles zu schnell. Sie verließ das Zimmer, mit der Ermahnung, dass ich schlafen und sie nicht beim Gebet stören sollte, und dann sah ich schon die blinkenden Lichter des Schneeräumers näher kommen. Ich hatte kaum genügend Zeit, um in meine Klamotten zu springen.
»Sie können mich da vorne rauslassen.«
Das Morrison Motel ragt wie ein flamingofarbener Eisklotz aus der unwirklichen Schneelandschaft. Trotz des Schnees ist der Parkplatz voll besetzt und ich bete inständig, dass Nawal da ist.
Chuck bremst wortlos, ich öffne die Tür, springe aus dem Schneeräumer und laufe über den Parkplatz. Vorsichtig schlängle ich mich zwischen den parkenden Fahrzeugen hindurch. Ob sie den Parkplatz beobachten und wissen, dass ich komme? Direkt vor dem Club entdecke ich die Dukes der Engel. Der Schnee hat sie fast komplett zugedeckt, nur eine sieht aus, als wäre sie in den letzten Tagen bewegt worden. Ich bleibe für einen Moment hinter einem Dodge stehen. Meine Beine scheinen mich kaum zu tragen und ich muss mich am Türgriff des Wagens festhalten. Durch die vereisten Scheiben spähe ich zum Motel hinüber. Vor dem Club stehen ein paar Leute, sie sehen nicht aus, als wollten sie hineingehen. Als sich einer umdreht, erkenne ich ihn, es ist der Typ, der mich im Club angebaggert hat, der, den ich getreten habe. Es flimmert vor meinen Augen, der Typ zündet sich eine Zigarette an und tritt von einem Bein aufs andere. Hinüberzugehen wäre keine wirklich gute Idee. Dann schwingt die Tür des Motels auf und eine Frau kommt heraus. Sie ist komplett in Leder gekleidet, und obwohl ich zu weit weg bin, um einen Blick auf ihr Gesicht zu erhaschen, weiß ich, dass es Lilli-Thi ist. Sie geht mit großen Schritten zu ihrer Duke, schwingt sich hinauf und lässt den Motor aufheulen. Sie jagt das Motorrad über den Parkplatz, in halsbrecherischem Tempo zwischen den Autos hindurch, und verschwindet in der Dunkelheit. Ich verenge die Augen, hinter der Glastür des Foyers erkenne ich die anderen Engel. Anscheinend von ihr dort abgestellt, um den Eingang zum Motel zu bewachen. Meine Gedanken rasen. Was nun? Mein Blick gleitet die glatten Wände des Motels hinauf. Es ist unmöglich, an den Betonwänden entlang die oberen Fenster zu erreichen. Wieder biegt ein Auto auf den Parkplatz ein und kurze Zeit später kommt eine Gruppe Jugendlicher an mir vorbei, denen ich mich kurz entschlossen anschließe. Zusammen überqueren wir den Platz, ich versuche, möglichst in ihrer Mitte zu laufen, und als ich mich einigermaßen sicher fühle, löse ich mich
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