Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Teppich ist weich unter meinen Füßen. Ich sinke ein. Flamingofarbener Teppich. Da ist die Tür. Komischerweise spüre ich nichts. Ist Sam nicht da? Meine Hand findet die Klinke, sie ist heiß und dann rieche ich diesen rauchigen, harzigen Geruch, der mir schon so vertraut ist. Ich drücke die Klinke hinunter und die Türe öffnet sich Zentimeter für Zentimeter. Noch bevor der Spalt so groß ist, dass ich hindurchkann, sehe ich den blassroten Schein.
»Wecke nie einen Dämon«, flüstert Miss Andersons Stimme in mir.
Vorsichtig schiebe ich mich seitwärts durch den Spalt, voller Angst vor dem, was ich sehen werde. Ein seltsames Surren erfüllt die Luft, ein Flirren, ein Summen. Das rote Licht scheint zu zittern, es wirft flackernde Schatten an die Wände. Mitten im Zimmer sitzt Pius. Er sitzt auf einem Stuhl und starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. Erschrocken halte ich inne und erwarte, dass er mich anspricht, dass er aufsteht, doch er ist wie in Trance. Sein Brustkorb hebt und senkt sich schmerzhaft langsam. In seinen Händen, vor sich ist eine kleine goldene Schale, es brodelt in dieser Schale und alles Licht scheint nur von ihr zu kommen. Und zu seinen Füßen liegt das Messer.
»Verbeuge dich vor dem Dämon, denn der Dämon ist eitel und wird darüber vergessen, dich zu töten. Er tötet nur den nicht, der ihm dient.«
Noch immer hat Samael seine Gestalt nicht. Er nährt sich von den Engeln. Erkennt er mich? Erkennt er in mir den Feind, mit dem er es aufnehmen muss? Würde Indie versuchen, ihn zu töten? Was passiert, wenn ich die Verbindung zu Pius unterbreche? Wecke ich ihn damit oder töte ich ihn damit? Ohne zu wissen, was ich tun soll, knie ich mich hin. Ich lasse meinen Oberkörper nach vorne sinken, bis ich den Boden berühre. Ein Stöhnen kommt über Pius’ Lippen. Es hört sich unendlich gequält an, als würde Samael ihm ein Messer in die Brust stoßen, und ich wage nicht, meinen Blick zu heben. Langsam strecke ich mich aus, schiebe mich bäuchlings weiter, obwohl sich Ekel und Entsetzen fest in meine Brust haken. Mit der Hand taste ich nach dem Messer, es liegt nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Wieder stöhnt Pius, ich hebe den Kopf, sein Gesicht ist verzerrt und ich erreiche endlich das Messer mit den Fingerspitzen. Es liegt gut in meiner Hand. Sein Griff ist so geformt, dass meine Finger genau in die dafür vorgesehenen Kuhlen gleiten. Schnell robbe ich zurück, durch den Türspalt hindurch, genau im rechten Moment. Ich höre, wie jemand die Tür mit der Nummer 44 öffnet.
Mit einem Satz bin ich im Lastenaufzug und schlage die Klappe zu. Verdammt, Nawal, hol mich zurück, denke ich, während Schritte das Zimmer durchqueren.
»Was hat er getan?«, höre ich Lilli-This aufgebrachte Stimme. »Was hat er mit dem Messer getan? Wer hat es genommen?«
Pius atmet schwer. Er bricht in unkontrolliertes Heulen aus und mein Herzschlag setzt aus. Ich hatte nicht mehr die Zeit, die Verbindungstür richtig zu schließen. Lilli-Thi muss nur eins und eins zusammenzählen. Warum? Warum nur habe ich mit Nawal kein Zeichen ausgemacht?
»Soll Lilli-Thi ihn töten, bevor er ihr die Wahrheit sagt?«
»Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung! Ich war doch mit dem Meister verbunden …« Pius’ weinerliche Stimme überschlägt sich.
»Wer hat das Messer genommen?«, wiederholt Lilli-Thi eisig und Pius wimmert nur noch leise. Schweiß läuft über meinen Körper, noch immer ist keine Bewegung des Aufzugs auszumachen. Kein Schwanken. Kein Rucken. Vielleicht hat sie mich einfach vergessen.
»Er muss noch hier sein«, wimmert Pius, »die Gänge sind doch alle bewacht. Das Motel ist bewacht. Es gibt kein Entkommen. Er ist bestimmt noch hier. Der, der das Messer genommen hat …«
»Wer? Der Wolf? Dusk? Lilli-Thi dachte, er ist fort?«
»Vielleicht ist er nicht fort. Der Wolf ist verschlagen. Er will uns nur täuschen. Er nützt alles, um uns hinters Licht zu führen.«
»Und wie, sage er Lilli-Thi, soll der Wolf in dieses Zimmer gelangen?«
Pius schweigt.
Er räuspert sich, was sich auch wie ein Winseln anhört.
»Will er Lilli-Thi weismachen, der Wolf könne an glatten Hauswänden hochklettern?«
Sie lacht ein kurzes, heiseres Lachen. Dann dringt ein kurzes Geräusch zu mir, das sich wie ein Peitschenhieb anhört, und ein Körper fällt dumpf polternd zu Boden. Pius.
Ihre Schritte kommen näher. Ich rieche Sandelholz und wie von selbst umklammern meine Hände das Messer.
»Coniuro et
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