Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
ermöglicht. Er ist hier, aber ich bin mir ganz sicher, dass die anderen weder hier noch in der Umgebung sind. Sie sind in New Corbie. Im Morrison Motel. Kat ist gut in dem, was sie tut, und die Kraft der Engel reicht nicht aus, um ihre Kreise zu stören.
Selbst Lilli-Thi ist nicht stark genug. Oder ahnen sie nur nicht, was Kat gerade macht? Wissen sie vielleicht gar nicht, dass wir weg sind, gar nicht mehr auf Whistling Wing?
Aber auch wenn ich das alles nicht weiß, ich bin mir sicher, dass dies unsere letzte Begegnung sein wird. In mir ist so viel Verzweiflung, dass ich nicht weiß, was ich tun soll. Ich will ihn anschreien, ihn beschimpfen und ihn schlagen. Nur damit er den selben Schmerz fühlt wie ich in diesem Moment. Aber nichts, was ich tun könnte, könnte in ihm diese Trauer und Verzweiflung auslösen, die ich gerade durchleben muss.
»Weißt du noch«, frage ich Gabe. »Damals, mit dem Schwarzen …«
Wir sehen uns noch immer nicht an. Damals. Damals, als ich dachte, da wäre etwas zwischen uns, etwas Großes.
Liebe.
»Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie du es geschafft hattest, ihn wieder einzufangen.«
Ich hebe meinen Blick und sehe ihn von der Seite an. Er starrt nicht mehr auf seine Stiefelspitzen, sondern in das dunkle Gebüsch vor sich. Sein Profil ist markant, auf seine Wangen haben die Bartstoppel dunkle Schatten gemalt. Sein Profil ist mir so vertraut, genauso vertraut wie das meiner Mum. Oder das meiner Schwester.
Langsam dreht er sich zu mir, seine Schulter lehnt jetzt an der Wand, sein Kopf ist zu mir geneigt.
»Willst du nicht wissen, wieso ich hier bin?«, fragt er und seine Stimme klingt so rau, als hätte er tagelang nicht gesprochen.
Gabe, Gabe, Gabe, denke ich mir. Weißt du nicht, dass es mir egal ist, weshalb du hier bist, wenn du nur hier bist?
»Okay«, sage ich schließlich demonstrativ seufzend und mit gelangweilter Stimme. »Wieso bist du hier? Ich kann dir gleich sagen, Frühstück gibt’s da drin nicht und Chili auch nicht, und ich bin mir nicht mal sicher, ob sie vierundzwanzig Stunden offen haben.«
Ist es ein Lächeln, das ich um seinen Mundwinkel sehe? Fehlanzeige. Er sieht eher grimmiger aus.
»Ich bin der Einzige, der den Schutzkreis durchdringen konnte«, sagt er offen und sieht mich dabei forschend an. »Weißt du, was das bedeutet?«
Ganz offensichtlich hat er keine Lust, auf mein Ablenkungsmanöver anzuspringen.
»Dass du mal Ferien machen kannst?«, schlage ich vor und in meinen Augen brennen Tränen. Tränen der Erschöpfung, Tränen der Verzweiflung. Ich habe keinen Zugang zu ihm.
»Dass ihr mich nicht abhängen könnt«, beantwortet er sich seine Frage selbst.
Der Augenblick, den wir uns ansehen, scheint sich bis in die Unendlichkeit zu dehnen.
»Okay«, sage ich nach einer Weile noch einmal und beginne zu lächeln. »Hört sich doch gut an. Wir machen einen hübschen Autokonvoi und tuckern durch Montana.« Langsam hebe ich eine Augenbraue. »Damit haben wir aber noch nicht geklärt, wie das mit dem Schwarzen war.«
Als er mich verständnislos ansieht, setze ich noch hinzu: »Du weißt schon. Dem Pferd.«
»Was hast du vor?«, fragt er misstrauisch. »Es gibt sie also doch …«
Emma. Er weiß von Emma. Er wird uns folgen und die Initiation verhindern oder zumindest behindern wollen.
Seine Augen gleiten von meinen Augen zum Mund hinunter zu meinem Kinn.
»Sie wird den Schutzkreis nicht aufrechterhalten können«, erklärt er. »Ich kenne den Tag und die Stunde nicht, aber wenn Samael seine Gestalt erhält, wird er zusammen mit Lilli-Thi die Kräfte eurer Verbündeten ins All lenken. Dann werden sie losgelassen und werden euch finden.«
»Durch wen werden sie uns finden?«, will ich wissen.
Wieder dehnt sich das Schweigen zwischen uns. Natürlich ist mir klar, durch wen sie es erfahren könnten. Er wird uns, ohne mit der Wimper zu zucken, verraten. Sein Blick gleitet über mein Gesicht, seine Aufmerksamkeit fühlt sich fast wie ein Streicheln an. Mir wird plötzlich flau im Magen, ich bräuchte dringend meine zwei Burger oder zumindest einen sehr starken Kaffee.
»Aber noch könnt ihr es schaffen«, sagt er, während er mich weiter ansieht. »Gratulation. Die Whistling-Wing-Hüterinnen konnten uns lange täuschen und in die Irre führen. Vielleicht schafft ihr es sogar noch.«
Meine Lippen pressen sich aufeinander. Was soll das? Ist es nur ein Spiel für ihn?
»Gabe«, sage ich rau. »Du weißt, dass es für mich keinen Sieg mehr
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