Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
noch einmal in die Tüte und hole ein Schokocroissant heraus. Mehrere kleine Mädchen und Jungen kommen uns entgegen, wahrscheinlich kommen sie gerade aus der Schule.
»Frankreich lohnt sich langsam.« Ein leichtes Lächeln huscht über Indies Gesicht.
Wir biegen in eine Gasse ein, die den Ort an der Mauer entlang umrundet. Ich nehme noch einen großen Bissen und gebe dann das Croissant an Indie weiter. Der herbe Schokoladengeschmack vertreibt meine Befürchtungen, fast fühle ich mich beschwingt. Über ein paar Steinstufen gelangt man an einen Aussichtspunkt und wir halten kurz an. Im Süden liegt das Kloster, das man von hier aus aber nicht sehen kann. Vor uns ausgebreitet sind die Inseln, wie willkürlich ins Meer geworfen, und mittlerweile Hunderte von Fischerbooten. Ein kurzer, abgehackter Laut lässt uns zusammenfahren und neugierig über die Mauer nach unten spähen.
»Jools und Felicia.«
Indies Bemerkung ist überflüssig, denn selbst von hier oben aus erkenne auch ich die beiden sofort. Sie sind genau unter uns, im Schatten der Mauer, etwa dreißig Meter entfernt, auf einem schmalen Stück Strand, versteckt hinter mehreren riesigen Felsbrocken.
»Sieh mal an, die feinen Enkelinnen der Oberin«, sagt Indie zufrieden, »die nehmen es anscheinend auch nicht so genau mit den Kleidervorschriften.«
Beide tragen weiße, enge Hosen und weiße Tanktops, was ihre schlanken durchtrainierten Körper betont. Aber nicht nur mit den Kleidervorschriften nehmen sie es nicht genau. Sie sind nicht alleine. Um sie herum haben sich fünf junge Männer platziert und im Moment kann man nicht erkennen, ob sie sich nur unterhalten oder ob Jools und Felicia in Schwierigkeiten sind. Einer kommt dicht an Jools heran und legt ihr seine Hand unter das Kinn. Ihre Stimmen schwirren zu uns herauf. Felicia spricht sehr schnell auf Französisch, ich verstehe kein Wort, der Typ vor Jools antwortet etwas darauf, was Felicia noch einen heftigen Redeschwall entlockt.
»Was sagt sie?«, flüstert Indie.
Ich zucke mit den Schultern und spähe vorsichtig nach unten, doch Jools und Felicia sehen nicht zu uns herauf.
»Wahrscheinlich machen sie gerade Schluss«, mutmaße ich, glaube aber selbst nicht daran. »Gerade hat der Kerl gesagt, dass sich nichts ändert, nur weil die alte Hexe seinem Vater den Kopf verdreht hat.« Genau genommen hatte er zu Jools »Blümchen« gesagt, was diese zu einer gezischten Antwort bewegt. Mauersegler stürzen sich an uns vorbei. Ihr flirrendes Kreischen wird von den vielen Mauern zurückgeworfen wie ein tausendfaches Echo. Hatte er gesagt, es ändert sich nichts an den Regeln?
»Ich glaube nicht, dass es im Orden erlaubt ist, einen Freund zu haben«, setze ich hinzu.
»Ich glaube nicht, dass jemand mit den Armengol-Schwestern zusammen sein will«, grinst Indie, »die haben Haare auf den Zähnen. Sie sind wie bissige, kleine Raubtiere.«
»Oder mit der Oberin«, füge ich hinzu und überlege kurz, ob sie mit der »alten Hexe« gemeint ist.
Wir schweigen und sehen zu, wie Felicia und Jools von den Männern umrundet werden. Nur der Mann, dessen Hand immer noch unter Jools’ Kinn liegt, bewegt sich nicht. Er ist deutlich größer als die Schwestern und selbst von hier kann ich die Tätowierung auf seinem breiten Nacken erkennen. Ich wüsste wirklich zu gerne, was die beiden mit diesen Typen zu schaffen haben. Sie scheinen mit einem Motorboot bis an die Küste gefahren zu sein. Einer sitzt bei laufendem Motor darin und beobachtet die Szene. Indie stopft sich ihren Rest vom Croissant in den Mund.
»Ob das die Oberin wohl weiß?«
Hinter uns gehen Leute vorbei, sie lachen und unterhalten sich lautstark. Schnell treten wir einen Schritt zurück, falls Jools und Felicia nach oben blicken. Wir warten eine halbe Minute, dann lehnen wir uns wieder vorsichtig über die Brüstung. Plötzlich geht alles sehr schnell. Der Typ greift nach Jools’ Arm, Felicia schreit etwas, das ich selbst mit meinem miserablen Französisch verstehe.
»Nimm deine dreckigen Finger von meiner Schwester!«
Felicia wirbelt herum und versetzt ihm einen gekonnten Tritt gegen das Brustbein, den er geschmeidig abfedert, dann springt sie vor und kickt zwei-, dreimal gegen sein Knie, den Oberschenkel, die Hüfte. Dem letzten Schlag weicht er nicht aus. Blitzschnell greift er nach ihrem Fuß und wirft sie in den Sand.
»Stümperin«, sagt Indie neben mir und ich halte erschrocken die Luft an. »Sollen wir ihnen helfen?«
Doch Felicia ist
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