Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
mich einfach getötet hätte, macht mir Freundlichkeit Angst.
»Indie?«, höre ich Dawnas Stimme. Sie klingt atemlos, als sie bei mir ankommt. »Wir müssen los«, sagt sie schließlich und nimmt mich bei der Hand.
»Ich habe ein schlechtes Gefühl«, sage ich und entwinde ihr meine Hand.
Sie stellt sich neben mich und sieht mit mir hinaus in den stürmischen Tag. Das Meer ändert beständig seine Farben, es ist nie gleich.
»Das schlechte Gefühl hättest du auch, wenn wir uns dagegen entschieden hätten«, antwortet sie schließlich. »Wir haben doch gestern noch lange darüber diskutiert …«
Ihr müsst wissen, hatte Emma irgendwann gesagt und war aufgestanden, dass ihr mit dem Eintritt in den Orden eure Granny verratet. Und alles, wofür Granny, Victoria und ich gekämpft haben.
»Vielleicht hat sie recht«, flüstere ich.
Sie nickt. »Vielleicht. Aber Kat und Miss A. haben auch recht. Wir brauchen Allianzen. Wir brauchen Verbündete.«
Wir können es nicht alleine schaffen. Schon verstanden. Ich nicke auch und nehme Dawnas Hand. »Wenn wir nicht zur Kapelle finden, ist das ein Zeichen«, sage ich in der Hoffnung, dass wir uns ganz gewaltig verirren und uns damit die Entscheidung abgenommen wird.
Dawna wischt sich Tränen von der Wange und ich höre einen Laut zwischen Lachen und Weinen. »Du bist so ein Quatschkopf, Indie.«
»Scheiße, Dawna«, antworte ich trocken. »Hör auf zu heulen. Du bist erwachsen.«
»Ich will es. Ich will es wirklich«, flüstert sie. »Aber vielleicht ist es trotzdem falsch.«
Wir gehen zweimal nach rechts, dann einmal nach links, dann sind wir im Kreuzgang. Dawna hält an, um sich die Nase zu putzen.
Am Eingang der Kapelle stehen Emilia Ponti und Mum. Mum sieht stolz aus, sie hat ihre Hüterin-Mutter-Tunika an, ihre Haare glänzen im Schein der vielen Kerzen. Hinter ihnen kann ich sehen, dass die Kapelle voll besetzt ist.
»Wir gehen noch einmal ganz kurz die Stellen durch, an denen ihr etwas sagen müsst …«, flüstert Emilia Ponti und drückt mir einen Zettel in die Hand. »Es ist ganz einfach, achtet einfach darauf, dass ihr es gleichzeitig tut.«
Mums Strahlen hüllt mich so ein, dass ich gar nicht richtig wahrnehme, was um mich herum geschieht. Das ist es, worauf Mum ihr ganzes Leben gewartet hat. Sie ist nicht verrückt, planlos und ohne Verantwortung. Sie hat nur gesucht, ohne zu wissen, was, sie hat einfach jeden Hinweis auf ihre Bestimmung aufgesogen, um dann das Falsche daraus zu schließen. Natürlich, Granny hat sie durch ihr Unwissen auch geschützt, aber wenn ich Mum jetzt erlebe, erscheint mir das, was Granny gemacht hat, falsch gewesen zu sein.
Mein Blick senkt sich auf den Zettel, in der Kapelle beginnt der Chor der Hüterinnen zu singen. Ich fühle mich sofort zu dieser Gemeinschaft hingezogen, die Musik nimmt mich mit, zieht mich hinein in diesen Raum mit all diesen Frauen.
»Oberin: Seid ihr bereit, in den Orden der St. Lucille de Fleurs aufgenommen zu werden?
Hüterinnen: Ja«, lese ich.
Es ist unsere Bestimmung, hier zu sein. Wir können es schaffen, mit der Hilfe des Ordens.
»Oberin: Möget ihr eure Gaben unserem Orden zugute kommen lassen?
Hüterinnen: Ja. Wir geloben Gehorsamkeit.«
Das Wichtigste ist jetzt, Verbündete um uns zu scharen. Gemeinsam schaffen wir es, Azrael entgegenzutreten.
»Oberin: Seid ihr bereit, wahrhaftig zu sein?
Hüterinnen: Ja. Wir geloben Gehorsamkeit.«
Das Papier in meinen Händen knistert, während wir den Mittelgang entlanggehen. Alle Kerzen sind entzündet, das ganze Kirchenschiff ist erfüllt von der Wärme des flackernden Scheins und dem wunderschönen Gesang der Frauen. Alle Hüterinnen tragen ihr Festtagsgewand, sie schillern in dunklen Farben.
»Oberin: Bist du bereit, das Heil des Ordens vor das Heil des eigenen Ich zu setzen?
Hüterinnen: Ja. Wir geloben Gehorsamkeit.«
Wir gehen auf die Oberin zu, hinter uns geht Mum. Emma hat sich geweigert, uns auf diesem Weg zu begleiten.
Jedes Wort, das auf diesem Blatt Papier festgehalten ist, von so vielen Hüterinnen vor uns gesprochen, widerstrebt mir.
»Dann sprich mir nach: Ich nehme Zuflucht beim Orden. So wie mein Körper durch den Orden aufgenommen wird, so nimmt auch mein Geist Zuflucht. Ich werde meine ganze Kraft dem Orden zur Verfügung stellen.«
In meinen Ohren dröhnen die letzten Worte, die auf dem Zettel stehen. Von jetzt an bis zu meinem Tod.
Wir bleiben stehen. Die Oberin steht jetzt direkt vor uns und sieht uns ernst an, erst
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